7/15/2008

One plus One - Godard - Goedart Palm

'One Plus One' does not mean 'one plus one equals two'. It just means what it says, 'one plus one'

In den sechziger Jahren war Jean-Luc Godard der cineastische Großmeister schlechthin. Die Mischung von One plus One war brisant: Black Panther, The Rolling Stones, Jean-Luc Godard, London 1968. Eine Montage aus Proben der Stones, Spielszenen, running stills. Heute nicht mehr shocking, die Black Panther sind revolutionäre Schwätzer, die mit dem üblichen dogmatischen Duktus auftreten. Im Interview wissen sie alles, die Praxis lässt zu wünschen übrig. Die Stones sind nicht schlecht, aber weit entfernt davon, genialisch zu erscheinen. Mick Jagger ein Sexsymbol? Das setzt Fantasie voraus. Auch "Sympathy for the Devil" hat seine diabolischen Grenzen. 

Running stills: Der Porno- und Pulp Fiction-Verkäufer verkauft seine Schmuddellektüre für den Führer-Gruß. "Cinemarx" und "Sovietcong" sind zwei Wörter, die deshalb noch lange keinen Sinn machen. Godard montiert und montiert, bis die Erkenntnis dämmern soll, dass Politik und Pulp keine diskreten Größen sind. Das Wort "Ausbeutung" sagt nicht viel über die Verhältnisse und Godard filmt keinen Essay, sondern eine Collage. Die analytischen Sätze sind einige Fetzen von Fremdtexten, etwa jene Beschwörung des schwarzen Mannes über die Kolonisierung seines Geistes durch die weiße Frau ("I believe that all these problems - particularly the problem between the white woman and the black man must be brought out into the open, dealt with and resolved. I know the black man’s sick attitude toward the white woman is a revolutionary sickness. . . The price of hating other human beings is loving oneself less."). Eldridge Cleaver ("But we were also Marxist in our orientation, which is like totally economics. Do you see what I'm saying. So we understood the relationship to our freedom and our access to our economic remuneration and not just a little job because that is whimsical. The man on top can change that any time he wants to." ) ist zugleich KING KONG. Welche Naivität, der Mythos des Mannes an der Spitze, der alles ändern kann, der liebe Gott? Der gleiche Programmatiker verkündet: "All the gods are dead except the god of war." Godard ist auf derselben Höhe der Krieg-Kultur-Logik: "..to make the film simply as possible, almost like an amateur film. What I want above all is to destroy the idea of culture. Culture is an alibi of imperialism. There is a Ministry of War. There is a Ministry of Culture. Therefore, culture is war." Zwar lange vor Huntington gesagt, aber höchst kurzschlüssig, denn längst war Godard zu diesem Zeitpunkt selbst ein hoch akzeptierter Exponent eben dieser Kultur, von der man bestenfalls/schlechtestenfalls sagen konnte, dass sie alles absorbiert, weil der unfreiwillige Mix schon vor der Postmoderne zum Medienstandard wurde. Doch diese Kritik ist vordergründig. Der Film hält ein Versagen fest, das zu riskieren mehr wert war als ein Großteil der Filmproduktionen jener Jahre auch nur ahnte. Godard wollte, wie auch in diversen anderen Filmen, das Medium in seiner Analyse politischer wie kultureller Verhältnisse selbst sprechen lassen. Das Medium ist die Botschaft der Botschaft. Die Bilder existieren nur noch in Überlagerungen, sie dekonstruieren sich, wenn sie aufeinanderprallen. Die Organisation des Films selbst wird zum Thema, ohne den unverbindlichen Weg reiner Experimente zu gehen. Fundamental: Was kann ein Film aussagen? Der Film begründet keine neue Wirklichkeit, sondern kommentiert sie, ohne sich noch länger auf seine Mittel verlassen zu können. Daraus entsteht Chaos, ein Chaos, das eben nicht dem der vorgängigen Wirklichkeit so fremd ist. Damit folgen auch diese Demontagen der Ordnung mindestens untergründig einer Korrespondenz von Wirklichkeit und Film. Wie oft die Wahrheit in der Sekunde aufleuchtet, ist freilich nicht zu parametrisieren. 
 

7/14/2008

Der Einbruch der Schriftkultur

Wenn die Zahl der Auslassungen und Rechtschreibfehler wächst, nehmen wir das als Zeichen der Zeit. Heute schreibt mir eine, die "Känzelung" dieser Absicht sei dann und dann erfolgt. "Känzelung" ist ein Wort gewordenes Ungetüm, das schlimmste Schmerzen schon bei oberflächlicher Berührung auslösen müsste. Doch diese Schmerzen werden seltener, bald schon werden wir völlig schmerzlos falsch schreiben und unsere Kommunikationsmoral jedenfalls nicht in der Orthografie suchen. Manches Komma wird den Freitod wählen. Vielleicht gibt es dann eine Bewegung für den Schutz ungeborener Satzzeichen...

Medientheorie - auch die haben wir so geliebt!

Vermutlich ist Medientheorie ein Irrtum, weil das Gegenstandsfeld so wenig statisch ist, dass jede Theorie Gefahr läuft, mit kürzesten Halbwertszeiten obsolet zu werden. Ohnehin bedeutet Theorie, Wirklichkeit so zusammenzufassen, dass eine mögliche Praxis mit ihr verbunden sein könnte. Hat je eine Medientheorie Medienmanifestationen maßgeblich geprägt? Wurden mediale Ereignisse nur per Theorie möglich oder hechelte die Medientheorie einigen Phänomenen nach, die sich bei näherem Zusehen als wenig willfährige Medienobjekte erwiesen? Theorie ist ein Handwerkszeug, mehr nicht. Wenn das consensus omnium wäre, wären wir ein großes Stück weiter. Für Theorie heißt das wie für jede "engine": Entweder sie funktioniert oder sie tut es nicht. Zwar mögen falsche Theorien richtige Theorien fördern und solche Umwege muss man akzeptieren so wie sieben Brücken oder sieben Fässer Wein. Doch eine Theorie, die selbstreferentiell bleibt, genießt sehr schnell einen Einsamkeitsstatus, der ihre - neudeutsch gesprochen - Anschlussfähigkeit beeinträchtigt. Medientheorie, so wie sie heute praktiziert respektive gelehrt wird, ist ein müßiges Geschäft, das für hoffnungsvolle Karrieren eher nicht mehr in Betracht kommt.

7/13/2008

Fotografien einer eiligen Familie

Angelina Jolie bekommt Zwillinge, die Fotografien der Großfamilie Jolie/Pitt werden für Millionen Euros exklusiv verkauft. Mehr kann man vermutlich nur mehr bekommen, wenn man Originalbilder der hl. Familie anbieten könnte, was allerdings mit massiven Zweifel an deren Authentizität verbunden sein dürfte. Bei der lebenden Schauspieler-Familie ist das anders. Doch was sieht man da, was man nicht weiß, wenn man es weiß. Neugeborene sind vor allem für ihre jeweiligen Eltern aufregend. "Ganz der Vater, ganz die Mutter" passt auf alle. Warum also zahlt einer für Bilder, die ohne jeden Informationswert sind, erhebliche Summen? Devotionalienbilder sind ohne Information, sie sind einfach nur als selbstreferentielle Objekte da, zeigen also auf sich selbst: So ist es. Das macht sie anbetungswürdig, auch wenn das im vorliegenden Fall eine Wahrnehmungsaffäre von einigen Sekunden nur sein wird.

7/09/2008

The art of filmmaking

Theoretiker verausgaben sich, um Filmästhetiken zu begreifen, wenn sie den Konstruktionsprinzipien eines Films folgen. Die Werkberichte von Regisseuren reichen oft, um ihren Erfolg/Misserfolg zu verstehen. Das Machen von Filmen folgt keiner ästhetischen Programmierung, sondern eher einem Kochbuch. Nimm bestimmte Ingredienzien und der Film sollte funktionieren. Inhalt, Plot, Sinn, Bedeutung und Wahrheit sind auch nur Ingredienzien des Films. Tarantino sagt zu "Reservoir Dogs": Ich hätte diese Schauspieler auch mit weißen T-Shirts vor einer weißen Wand spielen lassen können. Es wäre großartig geworden, weil es großartige Schauspieler sind. Das klingt einfacher, als es ist. Denn es gibt Flops, die fantastisch besetzt sind. Stimmt der Kontext der Schauspieler nicht, wird die Regie weißer T-Shirts längst keine formidablen Ergebnisse zeitigen. Das Rezept ist gut, doch nicht der Koch, sondern sein Gast entscheidet. Also bleibt die Kunst ein Geheimnis, so luzide sie sich auch geriert.

7/06/2008

Demokratieverdrossenheit Politikverdrossenheit Anne Will 6.Juli 2008

Wenn Politiker über Politikverdrossenheit reden,bestätigen sie den Befund performativ. Es ist analytisch nicht einmal notdürftig, den Glauben an demokratische Politik hoch zu halten und dann jede Erklärung schuldig zu bleiben, warum demokratische Politik Aktzeptanzverluste erlebt. Es ist einfach zu erklären, dass Bürger Lust auf Politik verlieren, wenn die Regelbarkeit der Verhältnisse so unwahrscheinlich erscheint und gerade Parteienzwist zur Selbstverwaltung verkommt. Spaß an Politik entwickeln vermutlich gerade jene, die ihre Pfründe dem Glauben an die Ratio des Politischen verdienen. Es ist zu viel verlangt, dass wir ihren Glauben deshalb schon teilen sollten. Politik wäre allein dann glaubwürdig, wenn ihre Prätention, die Verhältnisse zu verändern, sichtbar wäre. Beschwörungen führen da nicht weiter. So wenig wie diese Talkshow vom heutigen Tage.

Dazu mein "Klassiker" >> Journalismus und Mediendämmerung >>

Ferner auch: Die Banalität der Guten
Goedart Palm 20.09.2009

Politik in den Zeiten von Pest und Cholera

7/05/2008

Hitler in effigie

Heute hat einer dem Wachs-Hitler den Kopf abgerissen. So ist es meistens, ein wohl stammesgeschichtlicher Gestus, wenigstens das Bild eines Feindes zu vernichten. Bildersturm ist ein Atavismus. Bildmanipulationen sind Derivate dieses Bildersturms. Die Medien müssen auch das nachvollziehen, was zuvor nicht erfolgreich war. Medienzuständigkeiten, die klar machen, dass nicht lediglich avancierte Funktionen zu avancierter Technik gehören. Also kann man Kubricks berühmten Matchcut auch umdrehen, plötzlich haben wir wieder einen Knochen in der Hand, freilich mit password-Funktion.

Weimar, Goethe, Schiller und die Authentizität des Nippes

Wanderer kommst Du nach Weimar, begegnen Sie Dir überall. Goethe und Schiller als Klein- und Großplastik, aus Porzellan und jedem erdenklichen Material. Klassisch kann auch der Nippes sein. Klassik schützt vor Kitsch nicht. Die Häuser der beiden Großdichter erscheinen mir wenig authentisch. Danach hing das Antlitz Schillers über dem Bett seiner Frau. Seine Wohnung wäre der narzisstische Overkill gewesen. Hier wurden offenbar eifrig nachinstalliert. Es gibt nur eine Aussage: Hier ist der Dichter gewesen, hier ist er anwesend. Die Geschichte guckt dich an. Diese Prätention funktioniert nicht, weil der Aufenthalt der beiden Nationaldichter fetischisiert wurde, ohne dass die Fetische besonders sprechend wären. Mit einem Wort: Man muss sie lesen. Aber wer tut das schon noch, wenn die flüchtige Vitrinenkultur so viel schneller zu goutieren ist?

7/01/2008

Cybermobbing und andere Formen virtueller Höllen

Cybermobbing ist also jetzt in Missouri ein Straftatbestand. Mindestens so dringlich wären aber Initiativen, die Medienkompetenz von Netznutzern - und morgen schon sind das alle - so aufzurüsten, dass zahlreiche Formen des Cybermobbing sich selbst desavouieren. Also geht es wieder um die Differenz von Wahrheit und Lüge, die um einen dritten Wert zu ergänzen wäre: die Bedeutungslosigkeit vieler Aussagen im Sinne einer referenzlosen Boshaftigkeit, gegen die neue Weisen der Nichtbeachtung helfen werden. Noch sind wir zu sehr im klassischen Wahrheitsdiskurs befangen: Stimmt das, was jener sagt? Suspendieren wir diese Frage, so müsste es anders lauten: Das Gerücht ist zu arm, als dass ich ihm vertraute. Doch an dieser Stelle einer aufgeklärten Nichtbeachtung sind wir längst nicht angekommen.

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