12/06/2009

Botho Strauß - eine Farce

Es ist die älteste Kulturkritik: Die Zeiten werden schlechter, alles versinkt im Sumpf, meine Raffinements oder wahlweise auch meinen Differenzierungs- und Kultivierungsgrad wird diese Menschheit nie mehr besitzen. So jammerten viele, vor allem, wenn sie alt geworden waren und die Zeiten längst an ihnen vorbei gegangen waren, während sie noch wähnten, die Zeiten wären an ihnen niedergesackt. Botho Strauß ist der erste Klagemeister dieses Landes. Was er sagt, ist nicht originell, muss es auch nicht sein, aber es ist in den Aphorismus versenkt, auch nicht wahr. Es sind die Klagen, die einige Feuilletons so langweilig machen, wie sie nun mal sind. Dass die Menschheit zur Selbstkultivierung in diesem Sinne höherer Sensibilität berufen sei, ist ein gravierendes Vorurteil. Menschheit - ein humoristische Rolle, hatte Novalis gesagt. Doch wie viel weniger humoristisch als behelfsmäßig, chaotisch, notdürftig. „Das Leben ist seinem inneren Wesen nach ein ständiger Schiffbruch. Aber schiffbrüchig sein, heißt nicht ertrinken.“ (Ortega y Gasset) Das alles fasst sich in die Unabdingbarkeit des Gelingens, das nicht nach "sophication" schreit, sondern nach Ergebnissen. Leute wie Botho Strauß begreifen wohl kaum, dass es Differenzierungsweisen gibt, die über ihre Lichtjahre hinausgehen, weil ihre Fantasie immer nur auf den abblätternden status quo gerichtet ist. Wer im Internet schreibt, reflektiert nicht zwingend auf Ewigkeit, Xenien oder andere hochmögende Anlässe. Was mich persönlich ehrlich erstaunt, ist das Interesse für diese Art der tönernen Kulturkritik. Strauß zehrt von zorniger Restpostenverwaltung. Darin erscheint er uns nicht als Konservativer, sondern als Lamentierer, der ohne Verständnis bleiben will - das aber aus fester Überzeugung. Der Kulturpessismus ist eine immerwährende Mode, die regelmäßig die kognitive Schwäche der "Klauselverwender" anzeigt. In Deutschland ist diese Mode regelmäßig mit Untergangsgerede verbunden, das in einigen Fällen konkrete Gestalt angenommen hat.
Dass uns nun dieser Kulturwahrer vor "Gemeinplatzbewachern" glaubt warnen zu müssen, ist eine Paradoxie, die zu diesem von Strauss vorgeblich so perhorreszierten Kulturbetrieb doch idealiter passt. Verachtung der Verfallskultur ist ein Standpunkt, leicht zu beziehen, leicht zu begründen. Allein warum sollen wir das ein ums andere Mal lesen?

Goedart Palm

Botho Strauß: Vom Aufenthalt. Carl Hanser Verlag, München 2009, 295 Seiten. ISBN-10: 3446234411. 19,90 Euro

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