Kunst ist es wesentlich dadurch, kein Wesen zu reklamieren
und so funktionale Kategorien und gesellschaftliche Zuweisungen unterlaufen und
transzendieren zu können. Das mag - terminologisch angreifbar - als Autonomie
bezeichnet werden. Bedienen sich Künstler wissenschaftlicher Prozeduren,
bestehen diverse Risiken, die künstlerische Rolle zu verlieren. Einerseits kann
es zum Rollentausch kommen, wenn der Künstler gesellschaftlich etwa als Natur-
oder Sozialwissenschaftler wahrgenommen wird. Andererseits kann privatistische
Wissenschaft von Künstlern esoterisch hinter gesellschaftliche Niveaus
zurückfallen und den ("hegelianischen") Verdacht begründen, den
erreichten Standard des "Weltgeistes" zu verfehlen. Die eigentliche
künstlerische Leistung besteht hier zum ehesten darin, erfolgreich die
Zuständigkeit der Nichtzuständigkeit zu behaupten, wenn anerkannte Paradigmen
oder funktionale Sicherheiten des hehren Wissenschaftsbetriebs tatsächlich irritiert
werden. Dabei kann es Künstlern, die die von Paul Feyerabend verkündete These
der innigen Verwandtschaft von Kunst und Wissenschaft wirklich begreifen, gelingen,
nicht als jene Clowns zu enden, die - wie m.E. nicht wenige - folgenlos beide
Welterschließungsweisen zu amalgamieren versuchen.
Goedart Palm