Extremindividualismus würde letztlich die Atomisierung der
Gesellschaft implizieren. Vermutlich muss man verschiedene Formen des
Individualismus differenzieren. Deren eine, die "logozentrierte
Kragenhochklappvariante" führt geradewegs in das Paradox, dass sie zwar
eine (relativ) teuer gekaufte, aber im Blick auf die zugrundeliegende "Persönlichkeit"
billig zu haben ist. Es gehörte seinerzeit zum diskreten Charme der Nicht-Bourgeoisie,
Billig-Klamotten mit Hochpreisetiketten zu versehen. Es geht auch anders: Ein
nicht unbekannter Künstler beauftragte vor Jahrzehnten einen exklusiven Kölner
Herrenschneider, ihm einen grauen Mao-Anzug, wie sie zu Millionen in China
hergestellt wurden, auf die aber damals noch nicht per "amazon" etc.
zuzugreifen gewesen wäre, "individuell" anzufertigen. Das
demonstrierte nicht nur auf das Schönste, dass auch der extremste
Kollektivismus mit der Mimikry kreativer Individualität rechnen muss. Es zeigt
vor allem, dass der Kontext maßgeblich über
die Individualität entscheidet, während der selbstgefällige Individualist sich
diese Effekte als eigene Leistung zurechnen mag...
Goedart Palm