4/22/2010

Das endgültige Modell des Festspielhauses Bonn


Der Generalanzeiger Bonn führt das "Aus" zum Festspielhaus Bonn in seiner Ausgabe vom 22.04.2010 primär auf die angespannte Haushaltssituation der Stadt zurück. Kurios an der Diskussion ist, dass offensichtlich noch nicht einmal das Kostenargument klar ist. Am Anfang wussten einige, dass der riesige Kulturspaß nichts koste. In der Folge wurde viel über Unterhaltungskosten parliert. Dann wieder war das neue Festspielhaus die kostengünstigere Variante gegenüber der Konservierung der alten Halle. Nun also doch anders... Sicher ist, dass die Diskussion, so intensiv sie vorgeblich geführt wurde, nicht einmal die Argumente sicher gestellt hat. Vielleicht ist Bonn doch Abdera.

Ende des Festspielhauses in Abdera, nein, in Bonn!

In den Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat,als es noch keine Museumsmeile in Bonn gab, kannte man hier folgenden Witz: Was ist der Unterschied zwischen Bonn und dem Zentralfriedhof von Chicago? Antwort: Bonn ist halb so groß, aber doppelt so tot. 

Man konnte in den letzten 20 Jahren den Eindruck gewinnen, dass Felix Bonna sich zum Beweis des Gegenteils gemausert hat – in der Kultur - aber auch als Wirtschaftsstandort.

Die Idee, diese Entwicklung durch ein international herausragendes Konzerthaus zu ehren Beethovens weiter zu dynamisieren – gerade in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation – ohne selbst dazu nennenswerte städtische Mittel in die Hand nehmen zu müssen, war ein weiterer Glücksfall, um den uns zahlreiche notleidende Städte in NRW beneidet haben. 

Auch Bonn steht aufgrund eigener, diletantisch durchgeführter, desaströser Großbauprojekte vor einem Haushaltssicherungskonzept. Man ahnt, nein, man weiß, dass die „fetten Jahre“ von selbst nicht wiederkehren, und allein die angemessene Substanzerhaltung der öffentlichen Bauten den städtischen Haushalt überfordert.

Die Stimmung für eine internationale Beethovenphilharmonie, die mit dem unglücklichen Begriff „Festspielhaus“ ganz falsche Assoziationen vom „Tanz auf dem Vulkan“ weckt, könnte schlechter nicht sein. Das mag sein. Der Oberbürgermeister ist um die real existierende Situation WCCB und die entsprechend entstandene Kleinmütigkeit der ihn umgebenden Politiker nicht zu beneiden.

Aber muss er, darf er dieser Stimmung nachgeben?

Es gibt Situationen, in denen darf man sich auf keinen Fall von Stimmungen leiten lassen. Aus guten Gründen wird z.B. keine Bürgerbefragung zum Bau von Moscheen gemacht, und aus guten Gründen werden Bürger auch nicht gefragt, ob man nicht auch Orchester und Theater zugunsten von U3-Tagesstätten schließen sollte.

Die wichtigste Aufgabe und zugleich die größte Herausforderung für Politik ist es, Zukunft zu gestalten – nicht im Sinne krankhafter Visionen, nicht durch Aufplustern von Seifenblasen, aber durch Nutzung real verfügbarer Gestaltungsspielräume. - Spielräume, die uns Bonnern sogar den allergrößten Teil der finanziellen Risiken abnehmen!

Eine Situation wie beim WCCB ist durch die glückliche Ausschaltung der Lokalpolitikerzuständigkeit nicht zu befürchten. 

Eine naive Illusion (oder vorgeschobene Verhinderungstaktik?) ist allerdings die Vorstellung mancher Politiker, man könne die Ausgaben für den laufenden Betrieb schon heute auf den letzten Cent ausrechnen. Viele benennbare Faktoren lassen sich nicht ausrechnen, sondern nur schätzen, wobei die Spielräume zwischen optimistischer und pessimistischer Schätzung durchaus auch durch die öffentliche Haltung zur Sache maßgeblich beeinflusst wird: Wollen wir unsere Stärken nach außen tragen oder unsere Schwächen? Das Gleiche, die Bandbreite zw. Optimismus und Pessimismus, gilt auch für die Einnahmenseite: man kann den Gewinn für die Stadt (Arbeitsplätze, Steueraufkommen, Tourismus) hoch oder nicht so hoch schätzen.

Nach Überzeugung aller Fachleute (und da sind jetzt nicht die Politiker gemeint) sind die Chancen für die Stadt Bonn, in der Kombination von UN- und Beethovenstadt tatsächlich ein internationaler Hotspot zu werden, immer als sehr hoch eingeschätzt worden.

Nur die Bonner selbst glauben nicht daran. Kleinmütig haben sie Angst davor, ihre eigenen Hausaufgaben zu erledigen. Wir sind doch hier die kleinen, spießigen Bonner. Beethoven? Größe? Hilfe, wir wollen keine Größe, wir wollen klein bleiben – so wie die überregionalen Feuilletons uns das suggerieren. Ein Denkmal der Nachkriegspolitik, das ja, aber bitte nicht so viel Zukunft! WCCB, ein neues Konzerthaus, der internationale Beethoven – Größenwahn das alles. Wahn? Bonna paupera!


Lieber Ludwig,

steig von deinem Sockel vor der Post, schließ auch dein Geburtshaus gut ab, dann spart die Stadt noch ein paar Renovierungs- und Heizkosten und wandere aus … nach Venezuela, Korea, China, Bilbao. Da bist du willkommen!

Die hiesigen Klassik-Profis werden dir bald folgen und das sinkende Schiff verlassen.

Du brauchst auch nie mehr mit "Beethoven Bonnensis" zu unterschreiben.

Wir bleiben in Verbindung! 

Solveig Palm

4/18/2010

Mein treuester Leser

...ist der googlebot. Dank ihm und seiner Lektürebegeisterung.

4/15/2010

Songs for Drella - Premiere in Bonn 14.04.2010

Einige Anmerkungen zum gewagten Versuch, Popkultur auf der Bühne zu inszenieren - anlässlich der Premiere „Songs for Drella“ im Theater Bonn am 14.04.2010

Lou Reed und John Cale veröffentlichten 1990 das Konzeptalbum „Songs for Drella“ als späte Huldigung an den großen Andy, der das erste, längst zum Mythos avancierte Album der legendären „Velvet Underground“ produziert hatte. Das Bananen-Cover, das Warhol seinerzeit beisteuerte, muss die magische Ausstrahlung noch erheblich erhöht haben, denn anders ist jeder Erklärungsversuch dieser Total-Verkultung vergeblich.

„Songs for Drella“ am Theater der Stadt Bonn ist eine Hommage an diese Hommage an Andy Warhol. Wer weniger will, könnte von einer Neuauflage sprechen. Hier liegt bereits das künstlerische Problem. Wie kann man drei der schrägsten, coolsten und nebenbei auch erfolgreichsten Figuren der Pop-Geschichte, Andy Warhol, Lou Reed, John Cale, so mimetisch abbilden, dass sie nicht zu blässlichen Abziehbildern werden? Als Schauspieler, Musiker, Dramatiker würde ich mir die Frage erst gar nicht vorlegen, ich würde die Finger davon lassen. Denn wenn wir dieses Dreieck des Pop-Himmels betrachten, erleben wir Ikonen, die um ihr Charisma wussten und es in einer Weise inszenierten, die sub specie aeternitatis - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt verrockter Ewigkeit - des Rockhimmels Geschichte macht. Es gibt Posen, um nicht von „lifestyles“ zu reden, die nicht (re)inszeniert werden können, weil sie sich unverbrüchlich mit einer Person und ihrem Kontext verbinden. Davon lebt die Pop- und Rockkultur, deshalb kreischen (unter anderem) die Fans. Mick Jagger ist Mick Jagger ist Mick Jagger. Nicht anders Lou Reed. „Songs for Drella“ als Theater wandelt daher auf einem schmalen Pfad, was dadurch noch längst nicht zum „walk on the wild side“ wird.

Eine musikalische „Metapose“ zu einer fan-bewährten sakrosankten Pose des Rockstars würde höchstens als ironische Kondition einleuchten. Das lakonische und zugleich aufgeheizte Lebensgefühl, das wir mit Warhol, Cale/Reed und „factory“ verbinden, ist nicht leicht zu ironisieren. „Drella“, also Warhol als perfide Personalunion von Dracula und Cinderella, ist deshalb so berühmt geworden, weil kein Künstler je so durch und durch artifiziell erschien, ohne dass dieses seinerzeit provokante Gegenbild zum klassischen Künstler (der inneren Notwendigkeit) nicht zugleich völlig authentisch gewesen wäre. Andy Warhol war in eine Formel gepresst: authentisch inauthentisch. Diese Paradoxie künstlerischen Seins übertrug sich auf die Mitglieder der „factory“ und John Cale und Lou Reed waren augenscheinlich trotz einiger Differenzen mit dem Meister der vervielfachten Marilyn fasziniert davon.

Lou Reeds lakonisch-puristische Art zu singen, seine ambivalenten Texte über die mehr oder minder schäbige Gegenkultur, seine sperrige Selbstinszenierung lassen sich im Theater nicht wiedergeben. Ohnehin stellt sich hier die fundamentale Frage, wie das Theater in seinem Medium Rockmusik darstellen will. Rockmusik ist a priori Theater, dessen Pathos aber auf einer anders gepolten Bühne nicht entfacht wird. Scherze über diese Rituale, wie es die Bonner Inszenierung versucht, sind keineswegs verboten, aber das müsste dann härter, distanzierter, womöglich sogar manierierter kommen. In diesen witzelnden Umrahmungen der Bonner Premiere wird die Existenzialität der beiden Musiker und ihrer Devotionalie „Warhol“ zurückgenommen. Man muss sich künstlerisch schon entscheiden: Entweder reproduziert man im besten Sinne des Wortes den „Star“, wird selbst zum Star, oder aber zu einer ironisch distanzierten, kritisch begleitenden, vielleicht sogar schizophren antipodischen Figur. Val Kilmer gelang es unter den ungleich anderen Bedingungen des Films (The Doors, 1991, Regie: Oliver Stone) sich in Jim Morrison zu verwandeln. Diese Mimikry reichte selbst bis zum einfühlsamen Gesang, dem angeblich Ex-Bandmitglieder attestierten, Jim Morrison darin perfekt zu treffen. Dagegen stehen Myriaden von Michael-Jackson-Imitatoren, die den „moon walk“ schon für die ganze Miete ihres Auftritts halten, ohne die durchlittene Hybridität des „King of Pop“ je zu ahnen.

Was der Bonner Aufführung gelingt, ist die mitunter einfühlsame Engführung von Musik und Video. Die beiden Instrumentalisten, Markus Schinkel und „Birth Controller“ Peter Engelhardt, verstehen ihr Handwerk. Henrik Richter kommt zwar phänotypisch, also rein äußerlich, an Lou Reed näher heran als Arne Lenk an John Cale. Doch das ist nicht wesentlich. „Le style c'est l'homme“! Von Lou Reed gibt es nicht nur Musikvideos, sondern auch aufschlussreiche Interviews. Distanz, trockene Ironie, mitunter (vermutlich seinerzeit drogengestützte) Blasiertheit charakterisieren diesen Stil, der für Schauspieler schwer kopierbar ist, weil man zugleich präsent sein muss, während man sich zurücknimmt. Die Freiheit, wie Lou Reed und John Cale zu singen, kann man sich zwar nehmen, doch das Original sitzt nicht nur im Nacken der Schauspieler, sondern auch in den Ohren der Zuhörer. Ein Internet-Hörer beschreibt es richtig: „Lou Reed can miss notes if he want´s to, he´s Lou Reed? man!!!” Unter diesem Vorbehalt leisten Henrik Richter und Arne Lenk gute Arbeit. Letztlich wird aber klar, dass der Unterschied zwischen dem – Antonin Artaud hin oder her - besonneneren Theater und dionysisch selbstverliebten Rockkulten unhintergehbar ist. Diesen vorinstallierten Hiatus versucht die Bonner Hommage durch Lockerheit zu überbrücken, was als Medium dieser beiden Musiker nicht per se falsch ist. Doch Lou Reed und John Cale sind in ihrer musikalischen Selbstdarstellung erfahrungsgesättigter, durchzogen von den fucked-up-Erlebnissen urbaner Kultur, die zwar die kurzweiligen Videosequenzen der Bonner Hommage zu illustrieren versuchen, die aber längst nicht das Spiel der beiden Schauspieler fundieren. Vielleicht sollte bei weiteren Aufführungen überlegt werden, entweder die Darbietung dreckiger zu machen oder aber das narzisstische „Trio infernal“ der nicht mehr ganz taufrischen Pop-Moderne ironischer zu verfremden. Der kollektive Auftritt der Bonner Akteure als abgehangene Cowboys mit der (Steil)Vorlage der Altmeister reicht da noch nicht hin. Diesmal sind es gerade die unfeinen Unterschiede, auf die es ankommt!

Goedart Palm

Eine musikalische Hommage an Andy Warhol von Lou Reed und John Cale
Theater Bonn Premiere am 14.04.2010

Musikalische Leitung: Michael Barfuß
Video: Lars Figge
Bühne: Ansgar Baradoy
Kostüme: Mathilde Grebot

Arne Lenk und Henrik Richter sowie den Musikern Marcus Schinkel (Keyboards) und Peter Engelhardt (Gitarre)

4/05/2010

Brühler Impressionen 2010


Goedart Palm 2010

Eine Variation - oder sollten wir von Kontamination sprechen: Das Schloss Augustusburg, die Industriewerke, der bunte Himmel... ein Assoziationsgewitter.

Babylonische Situation


Goedart Palm 2010

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