5/27/2009

Kreationismus revisited

Vergessen wir Feuerbach, Marx und Nietzsche. Den härtesten Schlag gegen die göttliche Weltordnung führte Charles Darwin mit seinen Werken "On the Origin of Species by Means of Natural Selection"(1859) und "Descent of Man" (1871). Wenn der Mensch nicht aus göttlichem Lehm gestaltet wurde, sondern ein vorläufiges Endprodukt einer biologischen Entwicklungslinie ist, erweist sich der Schöpfungsbericht der Bibel falsch. Allen frühen Anfechtungen zum Trotz setzte sich Darwins Evolutionstheorie im Wissenschaftsbetrieb durch. Zu erdrückend schien das Beweismaterial aus dem Mutationslabor der Natur: Variation, Selektion, Stabilisierung der Selektion – immer wieder, bis der homo sapiens sapiens am Horizont erschien, um die Götterdämmerung durch das Wissen um seine eigene Entstehung einzuleiten.

Erstaunlich, welche Entwicklungen es seither gegeben hat, die einer grotesken Theorie neuen Aufwind geben. Guckst Du hier >>

Man könnte den Kreationismus vielleicht retten, wenn man nicht auf Gott rekurriert, sondern die Frage verfolgt, warum die Evolution als Evolution funktioniert. Warum funktioniert der blinde Zufall so, wie er funktioniert? Es hätte ja auch auf Devolution hinauslaufen können bzw. auf die alte ontologische Frage: "Warum ist Etwas und nicht Nichts." Diese Frage forciert nicht nur das Denken vom Sein, sondern auch alle Formprinzipien, zu denen auch die Evolution zu rechnen ist. Für diesen Diskurs sind aber die meisten Kreationisten zu schlicht in ihrer Versuchsanordnung: Denn hier gibt es immer eine präfabriziertes Alpha und Omega.

5/26/2009

Wahrheit und Medium

Ein riskanter Laborversuch - wen wundert es, wenn es dann zu Implosionen kommt, die nur schlecht "wegerklärt" werden können. Trotzdem gibt es gute Gründe, hier weiterzumachen: Denn wir wollen vor allem anderen wissen, was Medien vermitteln, also wo denn ihre Mitte liegt. Es wäre also nicht falsch zu sagen, dass Medien die Wirklichkeit moderieren.

Goedart Palm

Philosophie und Wahrheit

Hat man immer übersehen, dass Wahrheit und Liebe zur Wahrheit um Lichtjahre getrennte Zustände sind? Denn das Begehren wird so oft enttäuscht, dass wohl schon früh einige Philosophen entschieden, dass ihre Liebe zur Wahrheit mit Wahrheit prämiert werden sollte. Die Konstruktion ist perfide bis undurchschaubar und gerade deshalb so effizient als Täuschungsmodell. Was wenn die Wahrheit diese Liebe nicht verträgt?

Goedart Palm

Warum nicht für Maschinen schreiben

Es wäre konsequent, die Aufmerksamkeit auf konzentriertere Leser zu richten, als es Menschen sind, zumal deren Aufmerksamkeitshorizont immer näher rückt. Insofern ist es plausibel, auf bessere Leser respektive Rezipienten zu hoffen, also Einheiten oder Netze, die schlicht die Information besser verarbeiten oder aber - mit besseren Gründen - verwerfen. Denn auch das, was heute als Kritik auftritt, ist doch zumeist arm und nur strategisch positioniert.

Goedart Palm

Die Langsamkeit der Medientheorie

Die gegenwärtige "Medientheorie" krankt an ihrer Langsamkeit. Es fehlt die "verrückte" Perspektive, es fehlen die technischen Neuerfindungen der Welt. Diese Theorie, die in diversen Varianten mit geringer Kraft um Aufmerksamkeit heischt, ist bereits im Moment ihrer Entstehung antiquiert. Wäre die Medientheorie ein notwendiger Beitrag zum Diskurs dieser Tage würde sie kein Schattendasein fristen. Oder glaubt irgendwer, dass diese "Schätze" morgen gehoben werden, wenn die Phänomene ganz andere sein werden? Wer nicht begreift, dass Medien ihre Selbstaufhebung einleiten, wird keine sinnvollen Aussagen über Medien machen, weil sich der Blick durch die Apparate (Erscheinungen) vernebeln lässt. Das ist freilich kein Plädoyer für eine Replatonisierung der Medientheorie, da die "Höhle" selbst in ihrem platonischen Arrangement ein philosophisches Blendwerk ist und nicht dessen Aufhebung.

Goedart Palm

5/24/2009

Gewalt in den Medien - revisited

Wirken Bilder und Texte der Gewalt kathartisch oder suggestiv? Dieser kontextlosen Frage verdankt sich ein offener, mehrtausendjähriger Diskurs, der mit Platons Verdikt gegen Märchen beginnt, während etwa Aristoteles auf die kathartische Wirkung der Poesie vertraute, und der auch gegenwärtig zahllose Zensurgelüste gegenüber dem vermeintlich fatalen Einfluss von Filmen, Bildern und Texten auf die beeindruckbare Psyche jugendlicher Täter motiviert. Der Philosoph und frühere Kulturstaatsminister Nida-Rümelin ist überzeugt, dass es einen wissenschaftlich abgesicherten Zusammenhang zwischen realer Gewalt und ihrer suggestiven Handlungsanleitung in den Medien gibt. Dabei lässt sich allein für bestimmte Tätertypen unter bestimmten Voraussetzungen eine mehr oder weniger gesicherte Kausalität von dargestellter und ausgeübter Gewalt bestätigen. Die Suggestionsthese verstrickt sich bei näherer Betrachtung tief in den Zusammenhang von Erziehungs- wie Milieudispositionen, aber auch habituellen Momenten des Täters. Der isolierte Kampf gegen Gewaltdarstellungen wird als selbstreferenzielles Schattengefecht geführt, das seine moralische und philiströse Anmaßung nur schlecht verbergen kann. Allein die dem Schrecken entspringende Provokation, dass das Selbstbild friedfertiger Gesellschaften ein Irrtum sein könnte, wird dann bis zum nächsten Gewaltausbruch oberflächlich gelindert...Nach diesen älteren Ausführungen meinerseits würde mich heute eher interessieren, ob zwischen der offenen Gewalt des Amokläufers und der subtilen Machtstruktur von Medienkonglomeraten ein mehr oder weniger direkter Zusammenhang besteht. Das alte Macht-Ohnmacht-Schema, das individuelle Gewalt zwar als lächerlich markiert, aber eben keine andere Form gegenüber Machtstrukturen eröffnet. Der Aufstand der "Kool Killer", der längst nicht obsolet ist und der eben im Extremfall bei entsprechender Täterdisposition zur ultima ratio (ver)führt.

5/23/2009

Horst Köhler - once again!

Zu Horst Köhler fällt mir nicht viel ein. Es gibt keine "highlights", keine "stories", keine "Einfälle". Der Bundespräsident ist da, so wie er im GG vorgesehen ist, er stört keinen, fällt nicht auf und macht seinen "job". Reicht das? Wahrscheinlich schon, weil die Funktion des Bundespräsidenten in weniger umtosten Zeiten weniger beachtlich ist - so emphatisch die Beschreibung im GG auch von Verfassungsfans - wir alle - gelesen werden mag. Allerdings hege ich bei Horst Köhler den Verdacht, dass er seine Nichterscheinung inszeniert. Der Politiker hinter dem Bundespräsidenten mag ein anderer Typ sein. Wir wissen es nicht, wir werden es vermutlich nicht wissen und es interessiert uns auch nicht so sehr, dass wir mit dem Nichtwissen nicht leben könnte. Also Horst Köhler, ein Politiker ohne Überraschungen, was seine eigentliche Stärke ist - denn in diesen Zeiten verzichten wir gerne auf Überraschungen.

Goedart Palm

Daniel Kehlmann - vermessen

Zugegeben, die Kritik zu einig, das war mir eine Warnung: Ein Büchlein, gut geschrieben, bedingt kurzweilig, aber die Vermessung der Welt? Da stelle ich mir anderes darunter vor. Einen größeren Entwurf, mehr als bloße Konnotationen und halboriginelle Idiosynkrasien zweier Großköpfe. Geniale Köpfe mögen so oder anders funktionieren - doch in diesem Buch werdet Ihr das Genie nicht vermessen. Vermessen...

Goedart Palm

5/21/2009

Film und Fortschritt

Die bei weitem wichtigste Errungenschaft des Films in den letzten Jahren ist das Bonus-Pack, die Bilder des "making of", die Mutationen der Maske und alle anderen Vor- und Hinterbilder einer Produktion. Der Film wird entauratisiert und damit analytisch. Diese "special features" vervielfachen unsere Perspektiven und damit zugleich den Film. Dabei ist es ein Nebenthema, nun den "director´s cut" oder die "final version" zu reauratisieren, weil wir selbst nun den "cut" machen, der uns wichtig erscheint. Die "schönsten Stellen" werden konzentriert, bis das Drama verschwindet. Die Zeit wird gestreckt, gestaucht, entmachtet. Der Film der Zukunft? Die Entwicklung zeichnet sich ab: Der Film, der uns vom Zuschauer zum Macher emanzipiert, wir denken unseren Film selbst und die "engines" machen den Rest. Hier erst wird sich der Begriff des "Heimkinos" erfüllen.

Goedart Palm beim Betrachten der "Collector´s edition" von Pans Labyrinth (Labyrinth halten wir als Stichwort fest)

Schenkt Ihnen eine Rechtschreib-Lehre...

Dieses Email erreicht mich (nicht): "Moechtest Du wieder wilden S:ex, ohne Errektions-Probleme? Wir sind ihre serioese Iner-Net A.potheke, die auch Orginal Marken als auch Genirca zu billigen Kosten verkauft." Mit dieser Rechtschreibung und Verfehlungssemantik bin ich ganz sicher, dass auch die verkaufte Potenz so seriös sein muss, dass Wale weinen würden.

Digitale Malerei



Wir stehen am Anfang der digitalen Malerei, noch sind die meisten Resultate armselig was wesentlich darin liegt, dass die Maler ein altes Medium "weiter denken" und nicht die neuen Gesten erahnen.

Mehr erfahren wir hier >>
Goedart Palm

Ludwig van, Friedrich von ... und das Grundgesetz

Liebe Klassik-Freunde,

das schöne Mai-Wetter wartet auf das Museumsmeilenfest!
Vor allem am 23. Mai 09, dem "Verfassungstag" mit einem Beitrag von Ludwig van B. dazu:

Was sind schon 60 Jahre gegen 250!
(sollte das folgende schwer lesbar sein, bitte Anhang öffnen

Götterfunken!

Ludwig van, Friedrich von ... und das Grundgesetz

Eine Begegnung von Schiller und Beethoven mit der Demokratie

Was sind schon 60 Jahre gegen 250!

Friedrich Schiller schaut aus Anlass seines runden Geburtstags und des Verfassungs­jubiläums in Bonn vorbei und begegnet seinem großen musikalischen Zeitgenossen. Zwischen Gestern und Heute verstricken sich die beiden Klassiker nicht nur verbal in Politik, Literatur und Musik – untermalt von musikalischen Beiträgen. - Mehr als eine "Europahymne".

Ausschnittpräsentation des diesjährigen Musiktheaterprojektes zum Beethovenfest

am Samstag, 23. Mai 09, 13.30 Uhr und 16.00 Uhr

beim Museumsmeilenfest auf der großen Zeltbühne

Der Eintritt ist frei.

Es wirken mit: Martin Grützner, Katrin Jeschenko, Denis Leupolt, Konstanze Palm, Moritz Preisler, Alexander Sehan, Dominik Söns, Felix Stadler (als Darsteller) Chor des Helmholtz-Gymnasiums, Streichorchester der Donatusschule, Streichorchester der Beethovenschule, Bläser-Ensemble der Donatusschule, Livia Bufi, Christine Heßeler (Sopran), Johanna Thiele (Klavier)

Musikalische Leitung: Johannes Laas, Kinderorchester: Julia Kartaschowa, Susanne Schmitz-Dowidat, Lothar Reiche-Ebert, Regie: Joe Knipp, Bühne: Heidi Hellberg, Kostüme: Ursula Brückner, Text, Dramaturgie und Produktionsleitung: Solveig Palm

Aufführung des gesamten Stücks:

am Samstag, 12. September 09, 20.00 Uhr

im "Wasserwerk" (Regierungsviertel, Hermann-Ehlers-Str.)

Eintritt: 18,- Euro, erm. 9,- Euro bei www.bonnticket.de, und allen Vorverkaufsstellen

email: tickets@bonnticket.de

Das umfangreiche Gesamtprogramm von Ludwig van B in diesem Jahr ist übrigens der zweiten Seite zu entnehmen.

Über viele Besucher an der Museumsmeile freut sich

Solveig Palm

Ludwig van B.
Netzwerk Schule und Kultur für
musikalische Jugendarbeit in Bonn
- Projektkoordination -
Dr. Solveig Palm
Ulrich-von-Hassell-Str. 44
53123 Bonn
Tel./Fax: 0228-9250209
email: solveigpal@aol.com
www.LudwigvanB.de

5/18/2009

Geheime Gesetze

Definitiv gibt es zahlreiche Gesetze, die das Verhältnis der Dinge zueinander betreffen, die wir nicht kennen. Vermutlich unterscheidet sich der Charakter dieser Gesetze auch in seinem Typus von den Gesetzen, die uns geläufig sind. Denn die Rekonstruktion, aus welchen Gründen sich Weltprozesse so abspielen, wie wir es erleben, reicht nicht sehr weit.

Goedart Palm

5/16/2009

Die Größe des Philosophen

Die Größe des Philosophen erkennt man an seinen Parasiten. Kurzum: Zählt die Fussnoten und ihr wisst, mit wem ihr es zu tun habt. Von diesem Ergebnis sind indes noch modische Verzerrungen abzuziehen und die wahre Größe strahlt euch an.

Goedart Palm

5/11/2009

Bosch Dekonstruktion







Goedart Palm 2009

Antihegel - Minitraktat zur Malerei

Eine Zeit drückt sich nicht so in zeitgenössischer Malerei aus, dass lediglich formale und strukturelle Elemente auf den Zeitgeist bezogen werden müssen: Kubistische Formen - die Zerrissenheit und Scharfkantigkeit der Moderne, abstrakte Formen - der Verlust des Gegenstands etc. Das sind kurzschlüssige Beobachtungen, die Richtiges und Falsches vermengen. Wir sehen jederzeit Formen, die offensichtlich nicht synchronisierbar sind, weil ihr Blick vielleicht zurück oder nach vorn gerichtet ist. Gegenwart ist auch nur eine Konstruktion sehr verschiedener Zustände. Die Märchen vom Trend belegen das. Ideengeschichtlich müsste man sehr viel komplexer vorgehen, um bildnerische Formen auf die Zeiläufte zu beziehen. Formen, selbst Stilbildungen fügen sich in die Paradigmata ihrer Zeiten nicht fugenlos ein, sondern sind regelmäßig viel zu unspezifisch, um das Verstehen anzuleiten. Mein induktiver "Beweis": Man gehe in ein beliebiges Museum moderner Kunst und versuche die Zusammenhänge zwischen den Konzeptionen zu erläutern, denn diese Räume sind erklärungsbedürftig, nicht die simple Hermeneutik einzelner Bildkonstruktionen. So gesehen hat unsere Kunstgeschichtsschreibung ihre eigentliche Aufgabe noch gar nicht gelöst, doch schon zweifeln wir, dass hier noch die Zeit gewährt wird, diese unterschlagenen Geschichten der "schwarzen Löcher" zu erzählen. Der Kunstgeschichtsschreibung eignete je ein materialistischer Duktus, der sich auch in ihrer philosophischen "Bodenständigkeit" demonstriert. Oder gibt es Kunsthistoriker, die zugleich als veritable Philosophen gelten könnten? Ich möchte keine Namen nennen, aber die Philosophie, die die Kunstgeschichtler umtreibt, ist wenig mehr als Glasur auf mehr oder weniger sinnlich präzisen Feststellungen.

Goedart Palm

5/10/2009

Der Erlkönig - sortiert von Microsoft Word

„Du liebes Kind, komm geh’ mit mir!
„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt,
„Willst feiner Knabe du mit mir geh’n?
Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind,
Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? -
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Erlkönig hat mir ein Leids getan. -
Erlkönigs Töchter am düsteren Ort? -
Erreicht den Hof mit Mühe und Not,
Es ist der Vater mit seinem Kind.
Es scheinen die alten Weiden so grau. -
Gar schöne Spiele, spiel ich mit dir,
In dürren Blättern säuselt der Wind. -
In seinen Armen das Kind war tot.
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. -
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh’ es genau:
Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? -
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an,
Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.“
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Meine Töchter sollen dich warten schön,
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind,
Siehst Vater, du den Erlkönig nicht!
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!“
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“
Was Erlenkönig mir leise verspricht? -
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

Johann Wolfgang von Goethe, variiert von Goedart Palm

5/08/2009

Wirtschaftswirrschaften

Weinte ich bittere Zähren, nicht die Wirtschaftswissenschaften studiert zu haben, hätte ich doch wenigstens den ökonomischen Lauf der Dinge verstanden, das Wesen der kapitalistischen Zeitläufte etc. Nun bin ich geheilt: Betrachte ich eben diese Zeitläufte und dann die Synopse der Aussagen der Wissenschaft, weiß ich, es gibt keine "Wissenschaft", es gibt nur Hypothesen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Prognostik auch nur im Ansatz funktioniert, also eine weitere "Wissenschaft", die uns über ihre Gesetze täuscht, ja fingiert, es gäbe Gesetze. Selbst wenn wir Humes Problem zurückstellen,verlieren wir den Glauben, dass wir uns hier auf kleinsten Flecken festen Bodens bewegen. Auch die Wirtschaftswissenschaften sind windelweich...

Goedart Palm

5/06/2009

Spiegel online - Die wichtigsten Bücher des Monats - Jahres - Jahrzehnts - Jahrhunderts - Jahrtausends

Also wenn mir Spiegel-online erzählt, welches die wichtigsten Bücher dieser oder jener Zeitperiode sind, denke ich, die leisten löbliche Arbeit, lesen gar für mich Bücher und wissen auch, dass meine Zeit kostbar ist: Doch kann ich Ihnen vertrauen?
Wie sorgfältig lesen diese Leute? Mit welchem Interesse? Haben sie Zeit genug zu lesen? Für mich zu lesen? Je länger ich darüber nachdenke, je unheimlicher werden mir diese Lesetipps. Und schon merke ich: Ich bin wieder allein, allein unter Büchern. Diese Leser der griffigen Sortierung helfen mir nicht, meine Wege folgen anderen Spuren.

Goedart Palm

5/05/2009

Ich poste, also bin ich

Geschrieben am 21.03.2001, als es den Begriff des Bloggers jedenfalls noch nicht in seiner prominenten weitläufigen Bedeutung gab:

Zu den klammheimlichen bis lautstarken Freuden des Telepolis-Forums
Richard Sennett wünschte sich die Stadt öffentlichen Handelns als ein Forum, "auf dem es sinnvoll wird, anderen Menschen zu begegnen, ohne dass gleich der zwanghafte Wunsch hinzuträte, sie als Personen kennen zu lernen." Sennetts Wunsch zielte darauf, die Tyrannei der Intimität zu beenden, um öffentliche Interessen wieder jenseits von individuellen Persönlichkeitsmaßstäben, jenseits eines eigensüchtigen, idiosynkratischen Selbst zu bestimmen. Sennett müsste also über die Optionen des Telepolis-Forums grundsätzlich glücklich sein, wenn man den Begriff der öffentlichen Interessen nicht allzu eng zieht: Idealtypisch gewährt das Forum jedem die öffentliche Begegnungschance, ohne sich als Privatperson, als Realexistenz, als politisch korrektes Mitglied einer Gesellschaft outen zu müssen...

wer sich dafür interessiert, was hier in das Intermezzo fiel, liest hier weiter >>


"Blahblah" meint der Forumsbesucher "free" pars pro toto und vermutlich steckt dahinter ein ganzes Programm, das einer virtuellen Lebenszeit palavernd bis räsonnierend standhält - eingedenk eines selbstkritischen Nietzsches, der trotz seines größenwahndurchtränkten "Ecce homo" auf einen seiner vielen Zettel kritzelte: "Ich bin nur ein Wortemacher: was liegt an Worten! Was liegt an mir!" Und jetzt liegt es wieder an Euch...

Goedart Palm

5/04/2009

Was heißt Web 3.0 ?

Die Schließung des Netzes wird die Partikel, Fetzen, Schnipsel, inhaltlich gesprochen: Dokumentationen, Meinungen, Apokryphen etc. synthetisieren. Die Gerölllandschaften werden sich sortieren, organisieren, Spreu vom Weizen trennen, um Gestalten zu entwerfen, die Menschen nicht realisieren können. Insofern liegt die Spannung in der Betrachtung, schon bald wird die Produktion nur noch eine Chimäre sein. Immerhin einige Unverdrossene macht es glücklich, sich für Schaffende, Werteproduzenten und gar Demiurgen zu halten.

Goedart Palm

Google - revisited just for necessity

Natürlich gibt es Gründe, Google zu kritisieren, aber gegenwärtig interessieren mich mehr die Gründe, Google zu loben. Google hat mir einige kulturelle Begegnungen eröffnet, von deren Existenz ich Jahre zuvor nicht zu träumen gewagt hätte. An dieser Stelle wird kritische Theorie wenigstens für eine kleine Zwischenzeit notleidend. Macht uns das Netz affirmativ? Goedart Palm

5/03/2009

Die Gesellschaft und das Böse


Die Gesellschaft und ihr Strafrecht

Zum „Proprium des Strafrechts“ bei Winfried Hassemer

Der Teufel macht es uns nicht leicht. Ohne ihn lebten wir in einer für uns schlecht vorstellbaren Welt, die spannungslos und unversucht wäre - kurzum im Paradies. Nach der teuflischen Anstiftung einer eher unerfahrenen Person endete gerade dort das Glück in einer beispiellosen Strafaktion. Der Weltprozess menschlicher Verantwortung beginnt also mit der Strafe. Das Böse, das uns umgibt und spöttisch angrinst, scheint heute indes von schwererem Kaliber zu sein als zurzeit der Begegnung Evas mit der Schlange. Oder sollte der Teufel damals wie heute nur eine undelikate, vorschnelle Erklärung sein, um sich den Reim auf böse Verhältnisse zu machen, die sich so schlecht bis gar nicht reimen lassen? Gerade medienberauschte Gesellschaften lassen sich den Horror des wahren oder so genannten Bösen frei Haus liefern: Massaker bis hin zum Genozid, Amoklauf in der Provinz. Kinder töten ihre Eltern, Eltern ihre Kinder. Verwahrlosung wird hier zum Totschlag, dort werden Kinder unterhalb der hiesigen Strafmündigkeitsgrenze zu „Killern“. Oder ist das zwar schlimm, aber längst nicht mit den flächendeckenden Metastasen kollektiver Kriminalität zu vergleichen? Oder ist Kriminalität nur ein unwirkliches Abstraktum, ein Erklärungsnotstand und kein Erklärungsmodell? Glaubt man ernsthaft, einen Dieb, einen Subventionsbetrüger und einen Pädophilen im Etikett „Straftäter“ so verallgemeinern zu können, dass ähnliche Reaktionsweisen des Staates legitim erscheinen?

Mutationen des Strafrechts

Ursachenforschung würde gegenüber dem Verbrechen zum infiniten Regress, wenn das Recht keine Entscheidungswissenschaft wäre: Soziologie, Psychologie in allen Spielarten, Kriminologie, Medientheorie, die versammelten Disziplinen sind so zahlreich wie inzwischen die Agenturen, die sich mit abweichendem, strafbarem oder krankem Verhalten befassen. Unsere bunte Terminologie verrät bereits Zuständigkeitsprobleme, hinter der die blanke Ratlosigkeit wuchert. Sollen wir Straftäter kollektiv in die Psychiatrie schicken oder sollten wir die Psychiatrie für nur vorgeblich schuldunfähige Täter verschließen? Die gesellschaftliche Problemverwaltung kommt zu Lösungen, die bei näherer Betrachtung remonstrabel erscheinen. Die Rückfallquoten sind hoch genug. Die Zustände in den Justizverwaltungsanstalten sind problematisch, um das Mindeste zu sagen. Ob das organisierte Verbrechen durch Strafen überhaupt beeindruckt werden kann, ist mehr als eine Nachfrage wert. Dass der Staat strafen muss und die Gesellschaft Unwerturteile über menschliches Verhalten ausspricht, ist alles andere als selbstverständlich, wenn die „Schuld“ zum fragilen Traditionsgut wird, aber auch, wenn die Präventionen so anfällig in ihrer Wirkung erscheinen. Das Strafrecht ist spätestens seit dem 19. Jahrhundert in einer Bewegung, die ein prognostisch mutiger Hegelianer als Selbstabschaffung deuten könnte. Strafe war zuvor ein Programm der Vergeltung. Das Talionsprinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ leuchtete ein, wie es auch heute noch einigen Gesellschaften einleuchtet und wie wir es verspüren, wenn wir von schockierenden Taten hören. So soll jüngst einer Frau im Iran das Recht zugesprochen worden sein, einen Attentäter, der ihr Gesicht mit Säure verätzt hatte, in derselben Weise bestrafen zu lassen. Dieses spiegelnde Strafprinzip ist augenscheinlich nicht einem Kulturkreis oder einer Religion vorbehalten, wenn solche Strafen zwar im gegenwärtigen europäischen Kontext undenkbar sind, aber mindestens dem Stammtisch – in alter mittelalterlicher Verbundenheit - Spiegelstrafen nicht völlig fremd sind. In der europäischen Rechtskultur trat in der Folge die Persönlichkeit des Täters stärker in das Blickfeld als zuvor, als noch allein die Tat den Täter schuf. Der Täter verwandelte sich vom Delinquenten in einen Menschen, der auch und gerade in der Strafe zu achten ist, zuvor aber überhaupt erkannt werden muss, um vernünftig auf sein Verhalten reagieren zu können. Der Täter ist mehr als ein Täter, er veränderte sich zum besserungsfähigen Subjekt und wurde mitunter selbst als Opfer der Gesellschaft, der Familie, seiner genetischen oder hormonellen Dispositionen wahrgenommen.


Die Überlastung des Strafrechts

Und was macht das Strafrecht gegenwärtig aus diesem Wissen? Winfried Hassemer nennt seine auf das breite Publikum zielende Skizze apologetisch: „Warum Strafe sein muss“. Der Titel ist spekulativ auf die fragile Aufmerksamkeit des Lesers gerichtet, weil er das Leitmotiv „law and order“ anzustimmen scheint. Hassemer, ehemaliger Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, ist indes ein liberaler Strafrechtler, der eine ausgewogene Konzeption des Strafens entfalten will. Sympathisch ist seine Darstellung, so weit er nicht dogmatisch Ergebnisse mitteilt, sondern seine Auffassungen oft eher als Mitmach-Programm für den Leser reflektiert und mitunter sogar sein Wissen tastend vorstellt. Freilich, auch nach der Lektüre bleibt das Thema offen, weil sich hier, an diesem dunklen Ort, der früher deshalb als Verlies in das Erdreich verschoben wurde, die „conditio humana“ in ihren zahllosen Widersprüchen und Paradoxa demonstriert. Genau da kann das Strafrecht aber nicht stehen bleiben, in der Offenheit des immer wieder verhandelten Menschenbildes, sondern es werden Entscheidungen notwendig, harte Entscheidungen, die irreversibel sein können und – wie sich allein in den letzten Jahren in vielen DNA-Expertisen gezeigt hat, auch falsch, absolut falsch sein können. Strafen hieß immer auch, Unschuldige zu verurteilen, weil Menschen, selbst hochmögende Richter, fehlsam entscheiden können.

Wie also verfahren wir? Was ein anderer deutscher Strafrechtslehrer „Prävention innerhalb der Schuldvergeltung“ nannte, ist immer noch das Problem, als dessen Lösung es sich ausgibt. Was heißt Schuld? Was heißt Prävention? Und was soll die Schuld als individuelles Prinzip mit gesellschaftlichen Funktionen zu tun haben? „Wenn man sich an diese Alternativen zur Rechtfertigung und Kritik des Strafrechts erinnert, an die Wahl zwischen Klassik und Moderne, zwischen Repression und Prävention und dabei ihre Konsequenzen für die heutige Wirklichkeit des Strafrechts einbezieht, dann zögert man doch beim Lob der Prävention und fragt sich, ob die Option für diese Moderne im Strafrecht wirklich so klug und heilsam war, wie ich das gerade gerühmt habe“, hat Hassemer an anderer Stelle gesagt.

Das ist eine Bemerkung, die es in sich hat und Leitmotiv der vorliegenden Un-tersuchung ist. Denn ist nicht die Prävention immer entscheidender nach vorne gedacht worden, um die rückwärts gewandten, repressiven Momente des Strafens in dunkler Geschichte zurück zu lassen? Wir haben mit zahlreichen Straftheorien gelernt, dass Strafen keine Marginalie ist, keine Angelegenheit, die nach Gutdünken vollzogen werden dürfte, wenn nicht das ganze Zivilisationsprogramm riskiert werden soll. Das Strafrechtssystem einer Gesellschaft ist der Indikator für den erreichten Zivilisationsstandard. Für Immanuel Kant war diese Frage so wichtig, dass eine Zivilisation vom Erdenrund sich ohnehin nur verabschieden sollte, wenn sie ihr Strafprogramm beendet, sprich: den letzten Delinquenten, zur Richtbank geführt hat. Strafen hat aber zugleich den „Geruch“ der Ausnahme, ja mehr, des Scheiterns des Zivilisationsprogramms. Es will nicht in unser Gutmenschenbild passen, dass Menschen so böse sind, dass wir sie in der Gesellschaft aus der Gesellschaft entfernen und in eine andere, künstliche Strafgesellschaft verbringen. Nun soll die Zwecksetzung, die Vorbeugung nicht die ganze Packung sein, sondern ein zwar plausibles, aber nicht hinreichendes Prinzip des Strafens. Hassemer „entzweckt“ die Strafe, um nicht den Menschen aus dem Auge zu verlieren. Wir verurteilen und strafen Menschen und wie gut der Zweck auch immer sein mag, letztlich bleibt das Ungeheuerliche, einen anderen Menschen zu strafen, sich zum Richter aufzuschwingen, ob nun im Namen Gottes oder des Volkes. Wer Recht ausübt, weiß um diese Dialektik, eben hier viel-leicht selbst großes Unrecht auszuüben und darüber schuldig zu werden.


Aporien des Strafrechts

Hassemer plädiert mit mächtigen Gewährsleuten wie Hegel für die Würde des Menschen, die der Straftäter in der Strafe nicht verliert. Der Mensch darf nicht zum Hund werden, gegen den man den Stock heben dürfe – anderenfalls ist das Strafrecht nur noch instrumentell ausgerichtet, wird zum bloßen „Kampfinstrument“. Hier regen sich einige Zweifel, denn die Instrumentalisierung des Strafrechts erscheint nicht nur als Exzess der Präventionsidee, sondern nimmt teil am Rationalisierungsprogramm der (spät)modernen Gesellschaft respektive ihres Staates. Die Ausdifferenzierung von Regeln, die Zunahme von Komplexität eines sich selbst reflektierenden Rechts und des dort verhandelten Menschenbildes sind Strukturmomente, die den Kontakt zum Überprinzip „Gerechtigkeit“ nicht vereinfacht haben. Das Recht neigt zur eigensinnigen Selbstaufblähung, wie es die Bürokratietheorie schon kurz nach dem Kriege für alle Formen von Administration erkannte. Die permanente Selbstreferenz einer Dogmatik auf die von ihr aufgeworfenen Probleme gerät zudem in mitunter scholastische Begründungsregresse, deren Selbstläufigkeit sich zu oft von den ursprünglichen Zwecken absetzt – so wenig das in diesem Fall mit einem fröhlichen „back to the roots“ gekontert werden könnte.

Winfried Hassemer will wenigstens teilweise wieder zurück auf überlieferte Prinzipien, die die Auswüchse der Prävention zurücknehmen. Ein Beispiel sind abstrakte Gefährdungsdelikte, mit denen sich die Verurteilungswahrscheinlichkeit erhöht, weil die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale - wie etwa beim Sub-ventionsbetrug - reduziert werden. Unrecht, Schuld, Verantwortung marginalisieren sich der guten Sache wegen, die den Täter zu verschlingen droht. Doch lassen sich alte Grenzziehungen der Strafe neu verlegen oder wird das zum dogmatischen Etikettenschwindel bzw. Begründungsregress? Wie sich früher der Kapitalismus den Vorwurf zuzog, der Basisideologie des gerechten Tauschs zu frönen, so fragt sich hier und heute, wie die „Schuld“ oder die „Verantwortung“ denn zu parametrisieren sind, wie sie als Elemente der Gerechtigkeit überhaupt eingesetzt werden können. Das Problem hat noch keine Strafrechtstheorie zur dauerhaften Überzeugung aller „billig und gerecht Denkenden“ lösen können. Hier stoßen wir auf die älteste Aporie des modernen Strafrechts. Jede Tat ist individuell, hat ihre eigene Form und vor allem ihren eigenen Täter, doch die Art der Strafe ist homogen: Freiheitsentzug oder Geldstrafe. Der Freiheitsentzug soll den Täter auf eine straffreie Zukunft vorbereiten und entfaltet sich als komplex-widersinnige Langeweile: Denn einerseits verliert man Lebenszeit, der Staat zerstört den sozialen Kontext des Straftäters und opfert damit seine wichtigsten Lebensbezüge und andererseits wird man eben darauf wieder vorbereitet. Hassemer spricht davon, dass „repressive Überlegungen“ zu einer „Strafmenge“ führen, die sich für den Täter „als eine leere Zeit auswirkt“. „Leere Zeit“ bleibt aber das Stichwort, das nicht nur den Täter, sondern auch den Betrachter der Strafjustiz respektive des Strafvollzugs in ihren gegenläufigen Tendenzen unbefriedigt lässt. Gerade die „leere Zeit“ ist im modernen Strafvollzug immer stärker zurückgedrängt worden, was eben nicht nur Resozialisierung heißt, sondern Achtung der Menschenwürde des Täters während des Strafvollzugs. Widerspricht die Verstoßung des Täters in die leere Zeit nicht diesem hohen Anspruch und zugleich der Idee der Prävention? Vergelten wir die Tat mit einem Übel, wird der Täter vielleicht in seinem Tun bestätigt und das Strafkonzept kollabiert in seiner ganzen Vergeblichkeit. Man erzieht Kinder nicht zur Gewaltlosigkeit, indem man sie schlägt. So abwegig ist dieser Vergleich nicht, wenn die eigengesetzliche Gesellschaft des unheimlichen Planeten „JVA“ auf das diffuse Verhältnis von (Re)sozialisierungsleistungen und sozialer Demontage des Täters hin untersucht würde.

Winfried Hassemer geht es in dem, was man freundlicher – aber immer noch ambivalent -als die soziale Dekonstruktion des Täters nennen könnte, um die „limitierende Funktion des Schuldprinzips“ bzw. das „strafrechtliche Verfassungsrecht“, das die diversen Strafzwecke in ein maßvolles Verhältnis setzt. Erleben wir hier die verfassungsrechtliche Quadratur des verhängnisvollen Kreises von Schuld und Strafe? Hassemer stützt sich auf das Prinzip der „positiven Generalprävention“, die darauf setzt, dass Menschen Normen anerkennen und ihnen zur Geltung verhelfen wollen. Auch wenn wir mit vielen guten Gründen dem Strafrecht diese gesellschaftliche Aufgabe zusprechen, kann sie gerade heute nur mit Mühen konsistent formuliert werden, weil Gesellschaften heterogener werden und der Begriff einer verfassungsrechtlichen Werteordnung eine Einheitlichkeit suggeriert, die jedenfalls im Begriffspaar von Schuld und Strafe nur schwer einlösbar ist. Soweit im Rahmen der positiven Generalprävention die Schuld zur Begrenzung der Strafe eingesetzt werden soll, forciert das die Frage, was denn heute noch „Schuld“ genannt werden soll. Auch nach der Lektüre Hassemers bleibt unklar, warum wir überhaupt ein Strafrecht benötigen, das noch um den Begriff „Schuld“ kreist – wenn dieser Begriff doch eine der schlimmsten Hypotheken der Strafjustiz markiert und in seiner Diffusität besonders missbrauchsgeeignet erscheint. Hassemer eskamotiert die Schuld nicht aus seinem Diskurs, obwohl ihm die Brüchigkeit der Theorie des freien Willens so geläufig ist, dass er die Altdifferenz „Determinismus/Indeterminismus“ längst verabschiedet hat. Schuld als negatives Strafbegrenzungsinstitut funktioniert nur, wenn zuvor positiv geklärt ist, was denn „Schuld“ ist. Soweit Hassemer mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip für eine präzise Reaktion auf die Tat und Per-sönlichkeit des Täters plädiert, geraten wir in diese Spannung zwischen den Schuldabstraktionen wie –fiktionen des Strafrechts und einer plausiblen Straf-zumessung. Wenn das Strafrecht sein „proprium“ betont, muss es dieses „proprium“ auch aus sich heraus begründen können, sonst wäre es keines. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip nimmt ihm diese Aufgabe nicht ab, denn die For-malisierung und Restriktion der Strafzumessung antwortet nicht auf die Frage nach der Schuld und dem Sinn der Strafe. Die Wichtung von krimineller Energie hängt je vom zugrunde liegenden Menschenbild ab, was in einer Verfassung nicht hinreichend konkretisiert werden kann, um daraus griffige Schuldparameter abzuleiten. Täter werden durch das Strafrecht erzeugt. Es sind Gesellschaften denkbar, die völlig andere Kategorien der Strafbarkeit entwickeln oder sie gegen soziale Strategien austauschen, die ihre Zwecke einsinniger angeben können, ohne die Komplexität dieser sozialen Erscheinung, die wir Verbrechen nennen, einzuschmelzen. Die Irrationalität von Schuldkonzepten wiegt zu schwer, um sie wieder in einer dogmatisch aufgeweichten Form zur Hintertür hereinzulassen. Auch nach der lohnenswerten Lektüre von Winfried Hassemers Text lösen sich diese - nicht erst heute zum ersten Mal beobachteten - Aporien der Begründung des Strafrechts längst nicht auf, was uns deutlich macht, dass die Zivilisation hier noch einige Aufgaben zu erledigen hat.

Goedart Palm


Winfried Hassemer - Warum Strafe sein muss
Ein Plädoyer

Ullstein Verlag, Berlin 2009

Zeno Clash - die Simulacra der kunsthistorisch versierten Geisterbahn

Zeno Clash, Dark Messiah, Doom, Quake, um nur einige PC-Spiele zu nennen, bewegen sich ästhetisch auf dem unmöglichen Grad zwischen dem Erhabenen, Bosch & Breughel und der Geisterbahn. Nun lässt sich das ästhetisch geschmacksorientiert erörtern, zudem von der hohen, um nicht überheblichen Position der Kunstgeschichte her betrachtet mit eben den Parametern, denen solche Spiele zu folgen scheinen. Doch diese Spiele haben längst einen eigenen phänomenologischen Status, dem solche Vergleiche wenig anhaben können. Sie machen uns frei von engen Rastern, sie spielen, zugegebenermaßen mitunter recht schäbig, mit der Kultur, die sie offensichtlich nicht entbehren wollen. Die Macher solcher Spiele mögen noch so sehr ihre martialische Rhetorik bemühen, wir erkennen ihre Vor-Bilder, die in den Schrecken eingearbeitet werden wie Intarsien, die den Wert des Konstrukts tausendfach belegen sollen. Wer also von Kulturlosigkeit spricht, hat diese Schöpfungen nie genau betrachtet - diejenigen, die aber genauer hinschauen, sind oft blind gegenüber dem Material. Insofern sind PC-Spiele in ihrer Herstellung wie Reproduktion wunderbar hybride Kreationen, die nicht Kultur verabschieden, sondern definieren - ohne je die Tradition zu leugnen.

Goedart Palm

5/02/2009

Wie erkenne ich große Philosophie?

Es gibt ein untrügliches Kriterium, große Philosophie zu erkennen: Die Bereitschaft, sich nicht schnell auf ein Wissen einzulassen, unbestechlich in der Exegese zu sein und - alle Stränge in einem (Kraft)Punkt zu bündeln.

Goedart Palm

Digitale Malerei - Florian Schneider - Goedart Palm

Wer mehr über digitale Malerei wissen möchte, kann hier fündig werden. Wir stehen am Beginn dieser Entwicklung, die wirklich kreativen Bildwelten warten auf uns. Immerhin lohnt es sich vielleicht die täppischen Versuche der ersten Stunde mit inzwischen avancierteren Werken zu vergleichen. Doch die Potenzen dieser Malerei warten noch auf ihre Entdeckung >>

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