6/28/2010

Wirklichkeit ist das, was simuliert werden kann

Wirklichkeit ist das, was simuliert werden kann

Notas von Goedart Palm

6/27/2010

Christian Wulff - Zukunftsfest

Der Bundespräsidentschaftskandidat Christian Wulff verwendet den Begriff "zukunftsfest", was eine schöne Prophezeiung wäre, wenn uns nicht der Glaube gegeben wäre, dass Politik vieles vermag, nur keine "zukunftsfesten" Zustände zu zaubern. Politik besteht gerade in der Irritierbarkeit durch Zukunft, durch plötzliche Wechsel, antagonistische Positionen zu reklamieren. Politik, die erfolgreich sein will, schert sich nicht sehr um Widersprüche, sondern eskamotiert sie im schlechten Gedächtnis des Wählers. Versprechen sind nichts anderes als instantane Sprechakte, Vertrauen einflößend, aber nicht einklagbar. Politik in der Kategorie "zukunftsfest" heißt, die Unsicherheit, die je Medium der Politik ist, unsichtbar zu machen. Menschen verdrängen je Unsicherheit durch Rhetorik. Vermutlich ist das ein Überlebensmodus, dem wir nur zu gerne vertrauen. Ich allerdings glaube, dass die Zeiten sehr unklar bis bedrohlich sind, wenn "zukunftsfest" zum politischen Sprachgebrauch gehört.

Goedart Palm

Digitale Schreibpraxis

Die Verfertigung der Gedanken beim Schwadronieren ist ungleich einfacher als diese Prozedur beim Schreiben, zumal mit digitalen Schreibprogrammen, die nun endlose Korrekturen, Repetitionen, Versionen eröffnen, ohne dass es noch legitim erscheint, zum Schluss zu kommen.

Goedart Palm

6/26/2010

Detlef Hartlap und die Untiefen der Antike

Menschen sind mitunter kurios. Nie werfe ich das Wochenmagazin "Prisma" weg, obwohl ich einigen Abstand zu dem Entschluss habe, einen Treppenlift zu kaufen. Nun gut, das Fernsehprogramm ist auch nicht so bunt kommentiert, wie ich das zu meiner dürftigen Vorfreude brauche. Also: Ich löse das Schachdiagramm, wenngleich der Kommentator über das Thema "kairos" noch einmal angestrengt nachdenken sollte - eingedenk des Umstands, dass nicht jeder ein Brett vor sich stehen hat. Dann lese ich die Glosse von Herrn Hartlap. Der bringt mitunter Dinge witzig auf den Punkt, den man in dieser Postille nicht gerade erwartet. Gerade wird er noch philosophisch. Allerdings zitiert er "Ich weiß, dass ich nichts weiß von Sophokles", was mich im Morgentran leicht erzittern lässt. Hat Sokrates von Sophokles geklaut und ich habe es nicht mitgekriegt. Weiß er (wer?), dass er nichts weiß? In der Online-Ausgabe verschwand der Sophokles zügig und machte dem Sokrates Platz. Nun ist die philosophische Welt wieder in Ordnung. Wir verzeihen es dem Chefredakteur. Denn jede Wette wäre ich eingegangen, dass der Name "Gilles Deleuze" in der prismatischen Galaxis nie und nimmer aufscheint. Schon verloren! Fazit: Auch "Prisma" ist Teil der Postmoderne. Und ob Sophokles oder Sokrates, das ist nicht länger die Frage, weil es doch ohnehin alles nur Masken sind. Und vielleicht sind Treppenlifte Teil einer abendländischen Technikironie, wo wir dann auch wieder bei Sokrates gelandet wären.

Goedart Palm

PS: Nach Veröffentlichung des vorstehenden Textes zeigen die Anzeigen dieser Seite sofort Werbungen für Treppenlifte an, was uns wiederum verdeutlicht, dass wir weder der Ironie des Netzes noch gar der tieferen Logik jenes Blattes entkommen. Schon gar nicht mit einem Treppenlift...

Skizze für ein fantasmatisches Paris Goedart Palm

6/25/2010

Web 2.0 - Retrospektiv

Längst wird nicht erörtert, dass Langeweile ein Medium, wenn nicht das Medium des Netzes ist. Ziehen wir die unmittelbaren Funktionen ab, die Beruf und Freizeit gleich schalten, verbleiben die Wüsten. Die Dürftigkeit der Zeitgenossen wird hier so deutlich wie nirgends, denn hier wird in Wort und Bild geoutet, was sich anderenorts besser verstecken kann.

Goedart Palm

6/24/2010

Gespräche über Fußball

Fußballspiele sind kontingent verlaufende Ereignisse. Das macht sie zu idealen Gesprächsgegenständen. Beispiel: "Wird Deutschland Weltmeister?" - "Ja, wenn die Mannschaft weltmeisterlich spielt." So lässt sich reden! Jeder Zukunftsverlauf findet seine Anhänger. Diese Gespräche, etwa zwischen Netzer und Delling, sind absolut sinnfrei. Purer Dadaismus. Dafür muss man nicht nur diese beiden loben...

Goedart Palm

6/19/2010

Goedart Palm nach einer Skizze von Johann Wilhelm Schirmer

Zum Tod von José Saramago - ein Beitrag aus dem Archiv

José Saramago, Das Evangelium nach Jesus Christus (Rowohlt Verlag, Hamburg 1995, 19,90 DM ISBN 3-499-22306-6).

Das Neue Testament ist die einflussreichste Erzählung Europas. Unendlich oft reflektiert, myriadenfach abgebildet, Gegenstand religiöser Auseinandersetzungen, hat das neue Testament eine einzigartige Rezeptionsgeschichte. Der Nobelpreisträger Saramago entfaltet das biblische Panaroma neu, mit dem scheinbar halbernsten Anspruch, wirklich authentisch zu sein, d.h. aus der Perspektive des Menschensohns zu erzählen, wie die Menschen erlöst werden. In Saramagos Geschichte wird Jesus aber selbst als Suchender dargestellt, der seine göttliche Herkunft und Bestimmung erst im Laufe der Geschichte erfährt. Jesus ist Mensch, auch ihn verfolgen alltägliche Probleme. Familie, Beruf und Berufung werden zu breit angelegten Gegenständen der Erzählung. Ein menschlicher Jesus, wie wir ihn immer hinter den Evangelien vermutet haben, wird etwa in der Beziehung zu der Hure Maria von Magdala, besser bekannt als Maria Magdalena, gezeichnet. Die "high-lights" der evangelistischen Geschichten, mit denen wir imprägniert sind, drängen sich nicht nach vorne. Auch der Menschensohn handelt fehlsam, er hadert mit sich, mit seinem Schicksal, mit Gott. So läßt er etwa die Dämonen aus dem Besessenen in die Schweine fahren, einen Feigenbaum verdorren und den anschließenden Wiederbelebungsversuch des toten Baumes scheitern. Wunder gibt es immer wieder, aber diese Wunder finden nicht das Gefallen des Erzählers, der mit vorsichtiger Ironie des Heilands Erdenwallen begleitet. Dieser Jesus ist nicht weniger Mensch als Gottes Sohn und das erklärt die kirchlichen Proteste gegen Saramagos Werk, obwohl der bekannteste portugiesische Autor nach Pessoa nichts anderes macht, als die Identität von Mensch und Gott im Erlöser ernst zu nehmen. Saramagos authentische Apokryphe kann den Kanonikern, die den Mensch gegenüber dem Gott zurückdrängten, nur als Provokation erscheinen, aber der Autor gefällt sich nicht in leichtfertigen Blasphemien. Wären die vier Evangelien die offizielle Hofberichterstattung, so verlässt sich - in der Sprache der Journalisten - Saramago auf "wohl unterrichtete Kreise". Der Autor berichtet nicht aus der historischen Erzählerperspektive, wie der Titel vermuten lässt, sondern immer wieder wird aktualisiert, was ein historischer Evangelist nicht wissen kann - selbst tiefenpsychologische Bezüge eröffnet das "Evangelium nach Jesus Christus", weil die Wahrheit eben keine einfache Sache ist und sich erst in der Zeit entfaltet. Allein Gott ist die Zeit, er kennt Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen, ja mehr, für Gott sind alle Zeiten gleichzeitig. Der Evangelist Saramagos überführt seine Reportage der neutestamentarischen Geschehnisse nicht in die geglättete Welt der Heiligen und ihrer harmonischen Lebensgeschichten. Der Hl. Josef etwa ist alles andere als ein harmloser Statist des Krippenspiels, von dem wir eben nur wussten, dass er nicht Christus´ Vater ist. Er lädt Sünde auf sich, weil er früh vermutet, dass sein Erstgeborener ein Bankert sein könnte und Träume, ihn zu töten, verfolgen ihn. Josefs erfolgreicher Versuch, den Sohn vor der Exekution von Herodes´ Dekret zu retten, endet im Wissen um die Schuld, andere Unschuldige nicht gewarnt zu haben, egoistisch nur aus Sorge um den eigenen Sohn gehandelt zu haben. Schließlich kreuzigen ihn die Römer, ein Abgang, der einem dummen Zufall zu verdanken ist, weil sie in ihm einen Freischärler vermuten, er aber nur einen verletzten Nachbarn in Sicherheit bringen wollte. Auch Heilige können sich also nicht dem irrwitzigen Lauf der Welt entziehen. Selbst Gott kann in die Geschicke der Menschen nur bedingt eingreifen. Seine metaphysische Oberhoheit endet spätestens an den Einflussbereichen anderer Götter und Jesus ist sein Protagonist, der eine Gemeinde um sich scharen soll. Saramago spielt mit dem Verhältnis von göttlicher Vorhersehung und menschlichem Handeln, er läßt offen, wie weit menschliches Verständnis reicht, den Weltenlauf zu verstehen. Sein literarisches Verdienst ist es, eine Geschichte, die wir schon nicht mehr hörten, weil wir sie zu oft gehört hatten, wieder nachvollziehbarer zu machen. Jederzeit lässt er dabei seinen Gegenstand sprachlich funkeln, seine Sprache ist reich und präzise, lange parataktische Sentenzen fließen zu plastischen Szenen zusammen. Vielleicht ist ja das vorliegende Evangelium der Wahrheit näher als die kanonischen Texte, weil sich nicht in Harmonie auflöst, was immer offene Fragen bleiben. Jesus letzte Äußerung am Kreuz jedenfalls gibt Saramago anders wieder, als wir sie kannten. Auf Gott bezogen ruft Jesus aus: "Menschen, vergebt ihm, denn er weiß nicht, was er getan hat." - eine harsche Vaterkritik des Sohnes, der die unzähligen Märtyrer, Opfer der Kreuzzüge, Inquisitionen und anderer Katastrophen auf dem Siegeszug des Christentums nicht für legitimierbar hält. Sollte Christus doch der Rebell wider den Vater sein? Gibt es auch ein Schisma in der heiligen Dreifaltigkeit? Fazit ist, dass das neue Testament in Saramagos Überlieferung wirklich neu ist, eine alte Geschichte von ihrer historischen Patina befreit wird und wir uns fragen können: "Wie hältst du´s mit der Religion?"

Goedart Palm

Paraphrase Deutschland Weltmeisterschaft

6/11/2010

Sigmar Polke Memorial Picture - 11.06.2010



Noch letztes Jahr in der großen, prämierten Polke-Ausstellung in der Kunsthalle Hamburg gewesen...

6/07/2010

Zur Leere der neuen politischen Philosophie

Anmerkungen zu Slavoj Žižeks und Jacques Rancières Bemühungen der Wiedergeburt des Subjekts aus dem Frust der Theorie.

Von Goedart Palm

»Das Private ist das Politische«

In der grassierenden Politik- und Demokratieskepsis artikulieren sich Widerwillen und offene Ablehnung, die antik geprägten und tausendfach überformten, hochtönenden Formeln von Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie noch länger dem Gehalt realer gesellschaftlicher Prozesse zu unterlegen. Kann Politik überhaupt theoretisch mit fein ziselisierten Instituten erfasst werden, die auf dem Reißbrett des Philosophen more geometrico konzipiert werden? Könnte man nicht „Politik“ das allgemeinste Instrument nennen, das erst der Verwender für seine je spezifischen Zwecke formt, so wie es eine Theologie der Offenbarung gibt, der dann eine Theologie der Befreiung oder eine Theologie „von unten“ konfrontiert werden. Und doch soll nur ein Gott sämtliche Zuständigkeitsprobleme lösen. Aber bekanntlich kam es ja in irdischen Angelegenheiten noch schlimmer: „Das Private ist das Politische“. Ob Dieter Kunzelmann seine Orgasmusprobleme öffentlich aufdrängte oder Studentinnen in den 1970ern „Mein Bauch gehört mir“ skandierten, diese Politiken verlassen die aristotelischen Markierungen zwischen Heim und Marktplatz zugunsten der politischen Totalität aller Lebensverhältnisse. In der globalen Oikopolis kann kein Gegenstand noch länger reklamieren, nicht politisch zu sein, während klassische Politik als symbolschwaches Inszenierungstheater oder arkane Machtpolitik pervertiert.

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6/04/2010

Variation über Poussin

Variation über Claude Lorrain

The Tempest oder die Katastrophe


Variation über Winslow Homer

Deep ink Goedart Palm


Hommage an Nicolas Poussin, Claude Lorrain...

Hommage an Winslow Homer


Goedart Palm über Winslow Homer - Aquarell ohne Wasser im Wasser, reflektorisch...

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