1/30/2009

"Qualitätsmedien gewinnen an Reichweite"

Das heutige Wissen von Spiegel online. Vorschlag zur Güte: Lest diesen Blog, immerhin könnt ihr dann sicher sein, dass hier intrinsische Motive regieren, wenn sie auch nicht ausschließlich bestimmend sein mögen.

Reinhard Mohr - die tibetanische Gebetsmühle der Kritik

Reinhard Mohr erscheint nicht in diesen Tagen zum ersten Mal als scheinbar unersättlicher Talkshow-Gucker mit dem ewig gleichen Fazit. "Maybrit Illners Talkrunde hat leider gezeigt, dass die knorrigen Dauerdiskutanten nicht so unterhaltsam sind - sondern einfach nur verklemmt." Sätze wie diesen gibt es bei ihm zuhauf. Nur, was will uns Mohr damit eigentlich sagen? Dass Talkshows Müll sind und nichts klären ist keine originelle, mitteilungsbedürftige Erkenntnis. Wenn Mohr das einmal oder zweimal festgestellt hat, sollte er sich anderern Objekten der Kritik widmen. Denn zwar wird die Qualität einer Kritik nicht durch das Objekt derselben nobilitiert, aber die ständige Wiederkehr des Immergleichen, nämlich die Erkenntnis, dass es nach Mohrs Auffassung gehaltvollere Aussagen zu irgendwelchen Politik- oder Wirtschaftsthemen gibt, ist genauso langweilig. Die Verwurstung von Politik in Gesprächsrunden ist regelmäßig das strukturlose Gespräch von Parteimenschen, die ihre Selbstpropagierung respektive die ihrer Partei betreiben. Leuten wie Reinhard Mohr ist die Begrifflichkeit des Infotainment und seiner diversen Verfallsformen doch so geläufig, dass er nicht die Glasur dazu liefern muss. Herr Mohr sollte mal das Dauer-Lamento austauschen gegen Meditationen, was in der Politik gesagt werden kann oder muss. Indes, vielleicht würde er dann erkennen, dass der Diskurs als formale demokratische Tatsache erheblich wichtiger ist als seine fragilen Gehalte. Deshalb scheitert diese Mohr´sche Kritik, wenn sie einfordert, was nicht zu leisten ist und nur der inzwischen in die Jahre gekommenen Selbststilisierung der allseits Bescheid wissenden Kritik selbst dient. Gewiss, auch diese Anmerkung zehrt davon...

1/29/2009

Politische Programme - das Prinzip des Regenmachers

Politische Programme funktionieren wie das Wissen des Regenmachers. Sie funktionieren oder auch nicht, was sich ergebnisorientiert rechtfertigt. Wenn also eine Prognose nicht eintrifft, war sie eben schlecht, anderenfalls richtig. Das Prinzip selbst wird nicht dadurch desavouiert, weil die politische Leere unerträglich wäre. Erst wenn Politik die Legitimationsprobleme hat, die den Regenmacher bekanntlich schon länger verfolgen, ließe sich von Aufklärung reden. Wir leben weiterhin in nicht aufgeklärten Zeiten...

Email der Woche - unsere schönste Rubrik

"Lieber Freund,
Ich vermute das diese E-Mail eine Überraschung für Siesein wird,

Na ja, eine Überraschung ist das wohl zu allerletzt.

aber esist wahr.

Da habe ich Zweifel.

Ich bin bei einer routinen Überprüfung in meiner Bank (Chartered Bank von Süd Afrika) wo ich arbeite, auf einem Konto gestoßen, was nicht in anspruch genommen worden ist, wo derzeit $14.300,000 (vierzehnmillionendreihundert US Dollar) gutgeschriebensind.
......Ihr Anteil wäre 30% von der totalen Gange, während die restlichen 70% ist für michund meine Kollegen.

Dass mein lieber Freund Kollegen hat, glaube ich gern. Die 14 Millionen sind natürlich nicht so viel, da wurden mir schon andere Beträge angeboten.

Wenn dieser vorschlag für Sie OK ist und Sie Wünschen das vertrauen auszunutzen, das wir hoffen auf Ihnen und Ihrer
Gesellschaft zu verleihen,

Da hat nun das Übersetzungsprogramm grausam ironisch zugeschlagen und das ist der Grund für die Prämierung dieses Email: "das vertrauen auszunutzen". War ich gerade schon bereit, meine Email zur Verfügung zu stellen und überhaupt alles, was man, Freund und Kollegen, wünscht, bin ich jetzt entsetzt, will man doch expressis verbis "das vertrauen aus(zu)nutzen". Schnöde Welt!

dann senden sie mir netterweise sofort per meine personal E-mail Adresse, Ihre Voll Namen, Adresse, Telefonnummer, fax-nummer und Ihre vertraulicher E-mail adresse,damit ich Ihnen die relevanten details dieser verhandlung senden kann. Bitte, Sie müssen diese Transaktion sehr vertraülich behandeln weil die Transaktion einerDEAL ist.
Mit freundlichen Grüßen

..."

1/25/2009

Leser Überleser Nichtleser

"Wer den Leser kennt, der tut nichts mehr für den Leser. Noch ein Jahrhundert Leser - und der Geist selbst wird stinken." So spricht selbstverständlich die Angst, nicht gelesen zu werden. Heute ist es so, dass wir auf "Maschinenleser" warten, getreue Leser, die aufmerksam und umfassend unseren Gedanken folgen, unsere Profile erarbeiten und schließlich mit besseren Kriterien die Spreu vom Weizen trennen. Das sind erhebende Bilder: Der Tag der jüngsten Lektüre.

Die Welt der ornamentalen Texte

Ich öffne einen Umschlag. Man schenkt mir einen Jubiläumskugelschreiber mit Namensaufdruck. Warum gibt es solche Dinge auf der Welt? Hier muss eine Ontologie der Selbstverfehlung einsetzen. Also wäre ich dement, wäre der Aufdruck tendenziell hilfreich, mich meiner zu erinnern. Verschenke ich den Kugelschreiber, wird der Sinn auch klar: Denkt an mich! Aber wer will schon einen Gegenstand, auf dem der Name eines anderen prangt? So ist der Gegenstand ohne Bestimmung, obwohl er doch so spezifisch erscheint. Das Ornament endet nicht in der Form, sondern setzt sich im Text fort. Die Welt der ornamentalen Texte...

1/17/2009

Benzin Rammstein

Eine futuristische Fantasie, was den kids eher nicht geläufig sein dürfte. "Auch wir Maschinen..." etc. Ein Teil des Erfolgs von Rammstein spült sich über die Retro-Welle ab. Sollte man das Antiquierte wie bei den Futuristen als latente Abwehr gegen das explizit begrüßte Neue verstehen? Rammstein ist formal konservativ, erinnert an einen Gang durch "Brazil" und andere schwarze Dystopien.

1/16/2009

Marcel Proust - Auf der Suche nach dem wahren Leben

„Unaufhörlich Marrons glacés“

Auf der Suche nach dem wahren Leben Marcel Prousts

Biografien gelten als Hintertreppen zum Verständnis eines Genies. Oftmals sind sie aber nur ein Alibi im eigentlichen Sinne des Wortes, also ein Anderswo, das nicht den Ort der Dichtung fixiert, sondern die genuine Leistung des Dichters hinter einigen banalen Existenzaussagen unsichtbar macht. Marcel Proust war diese „crux“ in seiner Recherche nicht nur völlig klar, sie war geradewegs sein Arbeitsprinzip. Dieses setzt nicht auf biografische Rekonstruktionen, sondern auf Figurenkonstruktionen, die sich aus vielen Momenten realer Personen speisen und zahlreiche Wahrnehmungserinnerungen überblenden, um zur Wahrheit zu gelangen. „Es gibt keinen Schlüssel für die Personen dieses Buches, oder aber es gibt deren acht oder zehn für eine einzige; auch für die Kirche von Combray hat mir mein Gedächtnis als Vorbilder viele verschiedene Kirchen vorgegeben. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, welche. Ich erinnere mich nicht einmal mehr daran, ob die Fliesen aus Saint-Pierre-sur-Dives oder aus Lisieux stammen. Bei manchen Kirchenfenstern sind die einen sicher aus Evreux, die anderen aus der Sainte-Chapelle oder aus Pont-Audemer.“ Kurzum: Die Wahrheit ist zu kostbar, um sie der Wirklichkeit zu überlassen.

Jean-Yves Tadiés im Original bereits 1996 erschienene Biografie „Marcel Proust“ wurde nun mit einiger Verspätung in die deutsche Sprache übertragen und kann aufgrund der minutiösen Recherche zum Leben des Meisters beanspruchen, das biografische Standardwerk zu sein. Immerhin liegt im Suhrkamp-Verlag seit 1992 das Marcel Proust-Lexikon von Philippe Michel-Thiriet vor, das unprätentiös und sehr solide bereits das Faktendickicht um Werk und Autor bändigte. Tadié, der sein Leben diesem anderen Leben und der Recherche gewidmet hat, weiß um die Schwierigkeiten seines Vorhabens. Er legitimiert sein Vorhaben als "Biographie des Werkes". Das gelingt ihm streckenweise überzeugend, andere Passagen reproduzieren dagegen nur die Chronologie eines an Überraschungen weitgehend freien Lebens. Da gibt es auch für diesen Großmeister der Moderne die üblichen Verstrickungen des Alltags, triviale Streitereien mit Freunden, Krankheiten, Probleme mit dem Vermieter, die nun andächtig auf die „Recherche“ projiziert werden mögen, doch wenig zu einer geistigen Biografie dieses Werks beitragen. Hilfreicher sind da schon die Ausführungen Tadiés über Prousts Verhältnis zu diversen Geistesheroen, etwa zu John Ruskin, der zum einflussreichen Lehrer in ästhetischen Angelegenheiten wird und ihm die verborgenen Gründe der Phantasie aufzeigt.

„Dieses mikrologische Verfahren bietet alles, was man über Proust wissen kann, alles Wissenswerte, was zum Verständnis der Gestalt des Schriftstellers und seines Werkes beiträgt.“ Das konstatiert vollmundig der Suhrkamp-Verlag, was nun das von Proust selbst formulierte Problem weichzeichnet. Was muss man von Marcel Proust biografisch wissen, um sein Werk zu verstehen? Die „Recherche“ ist ein Werk perfekter Selbstreferenz. Nichts zählt, was dieses Werk nicht selbst weiß. Und man kann noch weiter gehen: Die Recherche ist ein so opulenter, wahrnehmungsfreudiger wie autistischer Kosmos, dessen Fakten man ignorieren darf, wenn nur das Paradigma der Methode klar bleibt. „Von einem gewissen Alter an sind unsere Erinnerungen derart miteinander verwoben, dass die Sache, die man im Sinn hat, oder das Buch, das man liest, ganz dahinter verschwindet. Überall hat man etwas von sich ausgestreut, alles ist ergiebig, alles birgt Gefahren in sich, und ebenso kostbare Entdeckungen wie in Pascals Pensées kann man in einer Seifenreklame machen“[1] Denn die intrikate Methode Prousts ist keine Verfahrensanordnung im eigentlichen Sinne, sondern erfüllt sich im Vollzug, wenn sie den aufmerksamen Leser auf sein je eigenes Weltverhältnis zurückführt. Um es in der Sprache einer informationsberauschten Zeit zu sagen: Der Grad der Konnektivität der Welt erreicht bei Proust eine höhere Ordnung, als sie vielleicht je literarisch erfunden wurde. Der Rest ist ein Friedhof, „auf dessen Gräbern man die verblaßten Namen nicht mehr lesen kann.“

Die Recherche rekonstruiert also keine historischen Identitäten, dann wäre sie bloß ein Tagebuch. Vielmehr demonstriert sie die Bewusstseinstätigkeit in ihrer Verschränkung von Wahrnehmungen und Imaginationen. Anders kann man auch das „humanum“ nicht verstehen: „Denn der Mensch ist ein Wesen ohne festes Lebensalter, ein Wesen, das die Fähigkeit besitzt, in wenigen Sekunden um Jahre jünger zu werden, und das innerhalb der Wände der Zeit, in der es gelebt hat, auf und ab schwebt wie in einem Bassin…“ Es ist also vorzugswürdig, Prousts eigenem Ansatz zu folgen und die Lebensgeschichte nicht mit dem Werk zu verwechseln. „Ich hatte zu sehr die Unmöglichkeit an mir selbst erlebt, in der Wirklichkeit zu erreichen, was auf dem Grunde meines Inneren ruhte…“ Proust weiß, dass Romane wider die Kontingenz des Alltäglichen kämpfen, sonst gäbe es wenig Grund, sich auf ein so mühevolles Schreiben wie das der Recherche einzulassen, das jenes vorgängige Leben so gierig aufsaugt und entfaltet. Das Leben ist zu krude, mäandernd und unerträglich leicht, um es so ungefiltert poetisch wahrzunehmen. Poetisch ist nur der Text, die ästhetische Rekombination der Verhältnisse, wie sie geschildert werden müssen, um nicht nur literarisch wahr zu werden. Nichts will Proust erzählen, das nicht auf eine „allgemeine Wahrheit“ hinausläuft und sich immer auf eine vorgängige Lebenswelt bezieht, sodass er etwa André Gide den Vorwurf macht, in seinen Texten die sachlichen Einzelheiten zu ignorieren.

Bei Marcel Proust bekümmert uns nicht allzu sehr, wer er jenseits seines überragenden Werkes war. Man kann in der - auch nach der Lektüre der Biografie - diffusen Sexualvita Prousts graben, erfährt hier etwas über Masturbation, dort etwas über (platonische) Homosexualität, um hinterher mit einiger Beliebigkeit doch eher die innige Mutterbeziehung als sublimierte Quelle seiner Poesie zu deuten. Das sind die üblichen Letzt- und Wegerklärungen, die sich vor allem um die Erkenntnis drücken, dass Krankheiten oder andere Auffälligkeiten zwar diese oder jene Eigenschaft eines Werkes mitdeuten helfen, doch vor dem Phänomen der Kunst kapitulieren. Familienskripte, Idiosynkrasien oder Tics erklären längst keine großen schriftstellerischen Werke. Gewiss, erst nach dem Tod der Mutter legt Marcel Proust richtig los, doch ein Initial erklärt nicht dieses enzyklopädische Literaturprogramm, sodass Produktionstheorien, die sich biopoetisch versuchen, unterhalb des Niveaus ihres Erkenntnisobjekts operieren. „Die Vorstellung eines ´gesunden´ Lebens ist für Künstlerbiographien eine Sackgasse“ vermerkt Ina Hartwig. Wohl wahr, aber der umgekehrte Weg ist es nicht minder, wie es die Erkenntnisse von Lange-Eichbaum und anderer belegen, die die Abweichung als Erklärungsmodell beschwören, ohne daraus eine ästhetisch plausible Kategorie zu zaubern.

„Der wirkliche Grund dafür, dass eine geniale Schöpfung selten sofort bewundert wird, liegt darin, dass ihr Urheber eine ungewöhnliche Persönlichkeit ist, der wenige Menschen gleichen. Sein Werk wird die wenigen Geister, die zu seinem Verständnis befähigt sind, befruchten und dadurch zu Wachstum und Zeugung bringen.“ Diese (Selbst)Erkenntnis Prousts stellt Biografen vor schwierige Aufgaben, weil auch geistige Biografien bestenfalls Annäherungen an ein Werk eröffnen. Erst in der Intensität der Dichtung kann es dagegen gelingen, innere und äußere Weltbezüge so zu vermitteln, dass die Welt eine neue empfindlichere Textur erhält, wie sie unser Alltagsbewusstsein kaum je erträgt. Proust lehrt, die eigenen Empfindlichkeiten nicht als Kontingenzen gering zu achten oder gar als Bewusstseinsmüll abzutun, sondern sich etwa so darauf einzulassen wie es mittelalterliche Maler taten, die schlichte Rasenstücke „ad maiorem dei gloriam“ detailergeben nachschöpften. Vielleicht sollte man die Recherche als eine Theodizee ohne Gott lesen, die die Welt in der Wahrnehmung rettet. "Lieber die Trugbilder der Subjektivität als der Schwindel der Objektivität. Lieber das Imaginäre des Subjekts als seine Zensur", meint Roland Barthes. Doch die Differenz von Objektivität und Subjektivität trägt hier nicht mehr weit genug, um diesen Wahrheitsbegriff zu erschöpfen, was insbesondere dadurch klar wird, dass das Subjekt für die Einheit dieser Differenz zuständig sein soll. Das Subjekt, soviel verrät uns jede dialektische Beobachtung, ist ein „melting pot“ der Ideen, Imaginationen und Wahrnehmungen und in dieser disparaten Tätigkeit eine objektive Weltschöpfungsinstanz. Das bloß Subjektive existiert so wenig wie das rein Objektive, sodass es vorzugswürdig erscheint, jenseits dieser Begrifflichkeit nach der Tätigkeit des Dichters, also seinem Text, zu fragen.

„Der Biograph hat seine Arbeit getan, er entlässt seine Leser in die Mündigkeit.“ (Ina Hartwig). Ist literarische Aufklärung der Ausgang aus der selbst verschuldeten Lektüreschwäche? Man muss Tadiés Text nicht lesen, um sich zur Lektüre der Recherche freizustellen, sondern um verschiedenartige Leseerfahrungen als Beleg aufzunehmen, dass auch Werk-Biografien diese einmalige Suche eines Schriftstellers nicht hinreichend erschließen. „Die Zeit vergeht, und allmählich wird alles wahr, was man erlogen hatte…“. Dieses Privileg genießt allein die Literatur, Biografien operieren dagegen mit einem statischen Wahrheitsbegriff, der sich antinomisch zum Wesen des Literarischen verhält. Denn im Gegensatz zum Biografen, der die Vergangenheit chrono-logisch fixiert, besteht die Synchronizität der Proust´schen Methode gerade darin, die Zeiten in wechselvolle Spannungen zu setzen, um vielleicht doch noch das letzte Geheimnis der Wirklichkeit aufzudecken. „Auf einmal blieb ich regelungslos stehen wie vor einer Vision, die nicht nur die Blicke fesselt, sondern auch tiefere Wahrnehmungsschichten und schließlich unser gesamtes Sein in Anspruch nimmt“. 1927 wird der letzte Band der Recherche „Le temps retrouvé“ ediert, das Jahr, in dem auch „Sein und Zeit“ von Martin Heidegger erscheint. Beiden Autoren ging es um das „gesamte Sein“. Wie verschieden die Wege dorthin verlaufen, erweist eine Synopse von französischer und deutscher Fundamentalontologie, die noch zu schreiben wäre.

Goedart Palm


Jean-Yves Tadié
Marcel Proust
Biographie Aus dem Französischen von Max Looser.

1/08/2009

Abmahnungen und kein Ende - Wenn das Logo zum Problem wird...Post vom Anwalt

Abmahnung vom Anwalt, weil man die Trend-Klamotten über ebay versteigert? Dabei war einem nicht klar, dass es sich um Fakes handelte. Oder hat man nicht so genau hingeschaut?

Was gilt juristisch? Es ist unter diversenVoraussetzungen untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt oder etwa ein Zeichen zu benutzen, wenn Verwechslungsgefahr besteht und selbst dann, wenn das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Eine Verwechslungsgefahr wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die angebotenen Waren als „Replika“ oder „Nachbildung“ bezeichnet werden. Das Zeichen darf nicht auf Waren oder ihrer Aufmachung oder Verpackung angebracht werden, angeboten werden etc. Wer ein Zeichen so benutzt, kann von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht sogar dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

Wer die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist dem Inhaber der Marke zum Ersatz des durch die Verletzungshandlung entstandenen Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung der Marke eingeholt hätte. Wird die Verletzungshandlung in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder Beauftragten begangen, so kann der Unterlassungsanspruch und, soweit der Angestellte oder Beauftragte vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, der Schadensersatzanspruch auch gegen den Inhaber des Betriebs geltend gemacht werden.

Eine dahingehende Unterlassungsverpflichtung besteht unabhängig davon, ob jemand selbst die fraglichen Produkte als Fälschungen erkennen konnte. Erforderlichenfalls muss man sich vergewissern, dass der Vertriebsweg des Lieferanten auf den Originalhersteller zurückgeht, wenn man das Risiko des Erwerbs von Fälschungen und einer Inanspruchnahme auf Unterlassung verlässlich vermeiden will. Das ist natürlich in diversen Fallkonstellationen eine aufwändige Recherche. Angesichts des erheblichen Umfangs und der weltweiten Verbreitung der Markenpiraterie ist es nach der Rechtsprechung auch nicht zu beanstanden, wenn Markeninhaber ihre Waren (auch) durch verborgene Kennzeichen gegen Fälschungen schützen, so dass möglicherweise nicht jede dritte Person, insbesondere nicht jeder Händler, von sich aus beurteilen kann, ob eine Fälschung vorliegt oder nicht. Sofern der betreffende Händler bzw. Importeur Sicherheit darüber zu erlangen wünscht, ob die von ihm vertriebene Ware authentisch ist, mag in bestimmten Fällen eine Kontaktaufnahme mit und Prüfung von Mustern durch den Markeninhaber erforderlich sein. Eine Verpflichtung besteht insoweit allerdings nicht. Will man sich diese Mühe nicht machen, setzt man sich aber dem erhöhten Risiko einer verschuldensunabhängigen Inanspruchnahme auf Unterlassung aus, wenn man also auch unwissentlich an gefälschte Ware gelangt und hiermit Handel treibt.

Ein Zeichen wird nach dem Bundesgerichtshof im geschäftlichen Verkehr verwendet, wenn die Benutzung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich erfolgt. Dabei sind im Interesse des Markenschutzes an dieses Merkmal keine hohen Anforderungen zu stellen. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr liegt bei Fallgestaltungen nahe, bei denen ein Anbieter wiederholt mit gleichartigen, insbesondere auch neuen Gegenständen handelt. Auch wenn ein Anbieter zum Kauf angebotene Produkte erst kurz zuvor erworben hat, spricht dies für ein Handeln im geschäftlichen Verkehr.

Der Markeninhaber, der gegen einen Störer - etwa den Betreiber einer Internet-Plattform - vorgeht, muss ein Handeln im geschäftlichen Verkehr derjenigen Personen darlegen und gegebenenfalls beweisen, die gefälschte Markenprodukte auf der Internet-Plattform anbieten. Hat er einen Sachverhalt dargelegt und bewiesen, der ein Handeln im geschäftlichen Verkehr nahelegt - z.b. einer gewissen Zahl von Feedbacks - kann der Betreiber der Internet-Plattform nach seinerseits gehalten sein, zum Handeln der Anbieter substantiiert vorzutragen, wenn er ein Handeln im geschäftlichen Verkehr in Abrede stellen will.

Wenn diese Angebote nicht zum Geschäftsverkehr zu rechnen sind, handelt es sich aber immer noch um eine Urheberrechtsverletzung. Eine Verletzung von Urheberrechten und der sich daraus ergebende Unterlassungsanspruch nach § 97 UrhG erfordern keine Unternehmereigenschaft von Rechtsinhaber und Verletzer. Wenn jemand etwa die Baseball-Cap oder das T-Shirt nach § 2 Abs, 1 Nr. 4 UrhG geschütztes Werk bei einer Plattform wie Ebay zum Verkauf anbietet, hat er das Werk entgegen § 15, 16, 17 UrhG widerrechtlich in den Verkehr gebracht.

Ebay oder andere Anbieter solcher Plattformen haften dagegen nicht automatisch. Eine Haftung als Störer setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass für Diensteanbieter zumutbare Kontrollmöglichkeiten bestehen, um eine solche Markenverletzung zu unterbinden. Ihm ist es nicht zuzumuten, jedes in einem automatisierten Verfahren unmittelbar ins Internet gestellte Angebot darauf zu überprüfen, ob Schutzrechte Dritter verletzt werden. Wird einem Diensteanbieter ein Fall einer Markenverletzung bekannt, muss er nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch technisch mögliche und zumutbare Maßnahmen ergreifen, um Vorsorge dafür zu treffen, dass es nicht zu weiteren entsprechenden Markenverletzungen kommt.

Streitwerte von 20.000, 30.000 oder 50.000 Euro sind keine Seltenheit. Die Marke Ed Hardy ist - wie das Amtsgericht Frankfurt ausgeführt hat- weltweit bekannt und hat auch in Deutschland an Bekanntheit und Beliebtheit gewonnen, sodass 50.000 Euro durchaus angemessen bei der Streitwertfestsetzung seien. Und wer nun - um sich den gerichtlichen Ärger zu ersparen - eine Unterlassungserklärung unterzeichnet und sich - vielleicht vorschnell - auch bereit erklärt, die gegnerischen Abmahn- bzw. Anwaltskosten zu erstatten, kann dann mit satten Kosten rechnen. Rechtsanwaltskosten sind als Abmahnkosten grundsätzlich über die Regelungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähig. Diese Kosten können nach §§ 677, 683 S. 1, 670, 257 BGB entstehen, hier sind aber diverse Voraussetzungen zu prüfen, was wir für Sie tun können.

Mehr unter www.palm-bonn.de

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