12/19/2009

René Crevel und andere Verdächtige

„Je suis dégouté de tout“ -„Alles ekelt mich an“, so
René Crevel 1935. Inzwischen heißt das burn-out oder Depression, es hat Pathos verloren. Als literarische Produktivkraft sind solche Zustände nicht mehr zu gebrauchen. Die literarische Mode verträgt nicht jede kreative Pathologie. Der Surrealismus war eine kollektive Therapieform und daher trotz aller Irrungen eine humane Kunst. Nicht in diesem abgeschmackten, moralisch überladenen Sinn, sondern als "kathartische" Spielwiese, die vormals verfemte und mehr noch vormals unbekannte Stimmungen zugelassen hat zur produktiven Verwendung. Die Infantilität des Surrealismus wiegt demgegenüber gering. In einer Zeit, in der künstlerische Kollektive, wie eng oder lose jene historischen gewesen sein mögen, überhaupt nicht mehr kennt, werden kollektive Befreiungen unwahrscheinlicher. Wenn Jonathan Meese libidinöse Entäußerungen in der Kunst findet, wird daraus keine gemeinsame Form. Kunstbetrachtung ist insbesondere in ihrer musealen Langweiligkeitsform eine impotente Erscheinung gegenüber den Unruhe stiftenden Vorvätern, die noch an eine Kunst glaubten, die den Nerv der Gesellschaft trifft. Die fortschreitende Individualisierung der Kunst reduziert ihre kollektivierende Kraft, selbst wenn es sich um versprengte Gruppen, Avantgardisten eben und den bemühten Bürgerschrecken, handelt. Das kann man nicht wünschen oder für wünschbar halten, sondern nur als Kriterium begreifen, dass Kunst jenseits ihrer systemischen Schließung diverse funktionale Varianten bietet, die sich nicht nur auf die Produktion von Erwartungsenttäuschungen oder Ähnliches richtet. Die Funktion der Kunst ist nicht anzugeben, weil sich mit ihren produktiven Anlässen und Formenreichtum zahlreiche Funktionen verbinden können.

Goedart Palm

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