3/10/2010

Bonn Festspielhaus Beethoven

Wer möchte nicht an einer aufregenden Kulturdiskussion dieser Tage teilhaben um das schönste aller Festspielhäuser, das wenigstens in der Imagination - vor der Kostenfalle und dem Bauskandal - keine Grenzen kennen will. Jedenfalls gibt es zu denken, dass zwar das Festspielhaus weiterhin ein Großthema bleibt, während das "Haus der Bildung" im Juni 2009 auf einmal Finanzierungsprobleme aufwirft. Vor dem Bau eines Festspielhauses zu Ehren Beethovens respektive der Stadt steht der unendliche Diskurs, der - wer hätte es auch anders vermutet - selbst ein "Pseudo-Ereignis" (Boorstin) geworden ist und auch dann, wenn alle Argumente längst ausgetauscht sind, hartnäckig weitergeführt wird. Die Regel, dass nur das entschieden werden kann (und muss), was nicht (argumentativ) entschieden werden kann, hindert diese Selbstbezüglichkeiten der Diskussion nicht. Kultur ist also hier wie so oft das Gespräch darüber.

Festspielhäuser sind - medial betracht - anachronistisch. Musik hören per Kopfhörer nebst Internet ist "state of the art". Wer Festspielhäuser baut, will die Festgesellschaft, die gute, gleichermaßen sedierte wie saturierte Gesellschaft, als Kulturträger. Kurzum, es geht um Kultur, Aufmerksamkeit und Geld in diversen Mischungsverhältnissen. Es ist nicht zu menetekeln, dass auch die "kids" ohne ADS kein dankbares Publikum sein könnten. In der Zeit der knappen Kassen wird die Kunst ohnehin noch mehr Federn lassen. Doch die Transformation der Kulturrezeption ist langfristig entscheidend. Wir werden virtuelle Festspielhäuser erleben, die auf Festplatten respektive Cybernarien entstehen. Dann entscheidet jeder selbst, wie sein Festspielhaus aussieht. Medientheoretisch bis -hypothetisch ist ein Festspielhaus eine gewagte Entscheidung, die nicht dadurch an Risiko verliert, weil Kulturbeflissene hier in einen alten Wichtigkeitsgestus zurückfallen, den wir für obsolet hielten. 

In den siebziger Jahren wollten wir doch alle angestrengt und politisch voll korrekt bis demokratietrunken weg von der Herrschafts- und Repräsentationskultur. Hier geht es zuvörderst um Repräsentationskultur, was nicht per se falsch sein muss, aber die ständige Rede von der Partizipation der Bürger so durchschaubar sein lässt.

Wer jetzt ein „Festspielhaus“ für eine richtige oder gar notwendige Entscheidung hält, mag überlegen, welche Bedeutung solche Architektur gewordenen Nobilitierungen für die Kultur haben. Wäre in Zeiten wirtschaftlicher Krisen eine Bescheidenheitskultur angemessener? Oder sind ganz im Gegenteil Stimmungswirtschaften und - demokratien von solchen Zeichen äußeren Wohlstands abhängig, um wieder Vertrauen in eine blinzelnde Zukunft zu schöpfen? Wir wissen es nicht. Kultur braucht äußere Zeichen, zumindest für Menschen mit fragiler Rezeptivität. Jenseits der kulturbeflissenen Dax-Unternehmen, die gegenwärtig eine priore Rolle spielen, wird der Kulturkampf bei den Abos und an der Abendkasse entschieden. Ohnehin zielt Kulturpolitik bei diesem „Jahrhundertprojekt“ darauf, gesellschaftliche Räume zu entwerfen, die beanspruchen, eine konsensuelle Rezeption zu fördern. Die gute Festgemeinschaft, das Fähnlein der sieben und mehr Aufrechten. Vor Jahren gab es vorgeblich den „Treffpunkt Kino“, was indes schon deshalb nicht funktionierte, weil man sich nicht verbünden kann, um einen Film gemeinsam zu sehen und zu verstehen. Wer heute eine Pause nutzt, um das Konzertpublikum in Bonn und sonst wo zu beobachten, wird keine übertriebenen Vorstellungen vom Rezeptionsniveau der Opern- und Konzertbesucher entwickeln. Muss auch nicht sein, Kultur funktioniert auch jenseits des Pathos. Adornos struktureller Hörer, der alles weiß und dabei auch noch Genuss empfindet, ist eher ein theoretisch-moralisches Konstrukt als das „Desiderat“ einer Kulturgesellschaft. 

Kurzum, Festspielhaus, Pützchens Markt und Karneval gehören in der Perspektive von Politik und Geschäftswelt alle irgendwie zusammen, ästhetische Differenzierungen sind die Glasur, wenn überhaupt.  Allerdings gibt es noch mehr „Jahrhundertprojekte“ für Bonn, die wir nicht geringer schätzen würden als ein opulentes ästhetisches Spectaculum wie das „Festspielhaus“. Beispielsweise: Pünktlich operierende Buslinien im ganzen Innenstadtbereich – auch das ein kühner Traum von erhabener Schönheit. Zwar für die direkte Außendarstellung einer Stadt weniger geeignet, aber doch dauerhafter in den solidarischen Effekten ... Stay tuned!

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