5/26/2012

Grass oder die Leiden des neuen Hyperion

Dichter sollen dichten. Die Morgenzeitung ist Anlass genug. Günter Grass dichtet also über Griechenland. "Europas Schande" ist ein Gedicht, das als Beispiel der uneinlösbaren Ansprüche der Poesie einen guten Platz in den Schulbüchern erlangen sollte. Ob das Gedicht poetischen Standards entspricht oder nicht, wollen wir dabei gar nicht erst entscheiden. Das Gedicht leidet an einem völlig anderen Dilemma. Es kommt gravitätisch daher, kontaminiert griechische Antike und neuere Geschichte wild mit aktuellen Befindlichkeiten und glaubt, einen moralischen Anspruch daraus herleiten zu können. Zeus schleudert diesmal keine Blitze, sondern hilft den Rettungsschirm zu öffnen  - oder auch nicht. Was nun die Antike mit der Gegenwart zu tun haben soll, vermag dieses Gedicht nicht anzugeben. Es säuselt moderat mythologisch, um uns irgendwie klar machen zu wollen, dass Olymp, Götter und Antigone doch nicht so schmählich enden dürfen. Ach ja, die Obristen gab es auch noch… Das ist fundamental schlechtes Denken. 

Die Historie wird an die Gegenwart geklittert, zieht sie in ein Meer der bedeutungslosen Anspielungen herunter: Grass, mach uns noch einmal den Hölderlin. Hier reklamiert einer Allkompetenz, wo die Auguren längst versauern. Poeten suchen eine Form, eine wie auch immer stark hervorgetriebene Bedeutung, wo ihr Metrum sich an fremden Parametern wund scheuert. Wirklichkeit unterwirft sich solchem ästhetischen Regiment nicht. Es gibt zahllose „Griechenländer“, die wir nicht erst seit seit Johann Joachim Winckelmann als Konstruktionen mit bedingter Haltbarkeit kennengelernt haben. Doch wer vertraut gar auf diese historischen, kategorienlosen Multi-Überblendungen, wie sie uns Günter Grass nun aufdrängt, wenn er aktuelle Probleme in zwölf Strophen erledigt. Dringender Rat oder Packungsbeilage: Misstraut diesen Dichtern! In ihren assoziativen Niederungen und Betroffenheitsgesten wird man nicht die Wahrheit finden, die Wirklichkeit verdient. Wie wenig Poesie in Gefahr und größter Not noch zu sagen vermag, dafür mag dieses Gedicht stehen. Das „Rettende“ ist eine fragile Agenda, die längst von einem anderen Metrum bestimmt wird.

Goedart Palm

Impressum

Verantwortlich im Sinne des Presse- und Medienrechts:

Dr. Goedart Palm
53111 Bonn - Rathausgasse 9
Telefon 0228/63 57 47
0228/69 45 44
Fax 0228/65 85 28

Email drpalm at web.de

Haftungsausschluss/Disclaimer
Gewähr für die Aktualität und Richtigkeit der Angaben wird nicht gegeben, auch wenn die Seiten mit der gebotenen Sorgfalt erstellt wurden. Im übrigen distanziert sich der Autor der vorliegenden Seiten entsprechend dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. Mai 1998 ausdrücklich von den Inhalten dritter Internetseiten. Selbst unabhängig von diesem Urteil, was so fröhlich zitiert und von kaum einem je gelesen wurde, distanziere ich mich grundsätzlich von allen Texten etc., die ich nicht selbst verfasst habe. Für alle Links gilt: Dr. Goedart Palm hat keinen Einfluss auf Inhalt und Gestaltung der verlinkten Seiten. Die Nutzung von Links, die zu Seiten außerhalb der von der hiesigen Websites führen, erfolgt auf eigenes Risiko der Nutzer. Der Verweis auf Links, die außerhalb des Verantwortungsbereiches des Betreibers dieser Website liegen, führt nur dann zu einer Haftung, wenn er von den Inhalten Kenntnis hat und es ihm technisch möglich und zumutbar wäre, die Nutzung im Fall rechtswidriger Inhalte zu verhindern. Für weiter gehende Inhalte und für Schäden, die aus der Nutzung oder Nichtnutzung solcher Informationen resultieren, haftet allein der Betreiber dieser Seiten.