5/13/2012

Wider den Glauben an jene, die es so gut meinen mit der Kultur


Der Kapazitätsvorbehalt ist tendenziell in der Lage, jedes Kulturbudget zu liquidieren. Denn im Zweifel gibt es immer irgendwelche vorrangigen Prioritäten. Kultur benötigt niemand zum Überleben, so wenig Kulturkämpfer aller Couleur müde werden, gerade das zu behaupten. Wer den Sozialstaat gegen den Kulturstaat ausspielt, so es denn einen Kulturstaat überhaupt geben sollte oder darf, sieht die Kultur als Verlierer. Wann hätte je eine Kulturausgabe gerechtfertigt werden können, wenn Menschen an unerträglichen Lebensverhältnissen leiden? Und welcher Maßstab gilt hier? Geht es um globale Betrachtungen, kann Kultur, schon gar nicht jene, die elitär zu sein scheint, sich gegen das Weltelend versichern. Aber selbst im lokalen, kommunalen Bereich wird das Geld für Kultur knapp, wenn es um Prioritäten geht, die einer Maslowschen Bedürfnispyramide folgen. Kultur ist gegen das Argument "... denn das übergeordnete Ziel lautet schließlich, nur so viel Geld auszugeben, wie wir auch haben" (Jürgen Nimptsch, Wider den Kulturinfarkt) kaum je zu schützen. Wer dagegen argumentiert, sollte sich klar machen, dass seine Erörterung notwendig ambivalent gerät. Denn Kultur ist Luxus und Notwendigkeit zugleich, was sich einer rein kameralistischen Betrachtung, aber auch dem Standardverständnis von Kulturfunktionen eher nicht erschließt. Kultur als Luxus und Notwendigkeit heißt Langzeitwirkungen kultureller Investitionen zu erkennen. Das Geschwafel von den kulturellen Subventionen ist ohnehin nichtssagend, weil Gemeinwesen  nun mal nur mit Subventionen existieren können. Wer also auf Oper verzichtet, weil sie der Gemeinde zu teuer kommt, sollte auch nicht mit der Straßenbahn fahren. "Investitionen" ist gegenüber "Subventionen" die erheblich komplexere Vokabel, mit der sich kulturelle Effekte verbinden, die vielleicht den Begriff einer kulturellen Generationengerechtigkeit plausibel machen könnten. Direkter gesprochen: Wer in Kultur investiert, vermag wenig statistisches Material zu produzieren, das Politikern hilft, ihre Programme erfolgreich zu verkaufen. Insofern ist Kulturpolitik, vor allem die provinzielle, immer schon im Verdacht gewesen, ihre Substanz zu verfehlen.  Ohnehin: Sollte nicht das Zuständigkeitsverhältnis einmal umgekehrt werden? Könnte nicht die Kultur die Priorität gegenüber der Politik, insbesondere gegenüber jener kulturlosen Variante von Politik, für sich reklamieren? Es gab eine Zeit, in der das Verhältnis von Kultur und Politik nicht von allen so definiert wurde, Kultur in die Abgeschiedenheit institutionalisierter Sicherheit zu verabschieden, während Politik vorgeblich mit den realen Lebensverhältnissen zu tun hatte. Wäre die Kultur eine, die den Namen verdient, würde sie sich wohl nicht in das Abseits drängen lassen. Allein die Begrifflichkeit eines "Kulturinfarkts" macht deutlich, wie weit wir von einer solchen Kultur  entfernt zu sein scheinen. 

Goedart Palm

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