In den siebziger Jahren wollten wir alle angestrengt und politisch voll korrekt bis demokratietrunken weg von Herrschafts- und Repräsentationskultur. Einige der gegenwärtigen Repräsentationspolitiker gehörten auch dazu. Wer also jetzt ein „Festspielhaus“ für eine richtige oder gar notwendige Entscheidung hält, mag überlegen, welche Bedeutung solche Architektur gewordenen Nobilitierungen für die Kultur haben. Wäre in Zeiten wirtschaftlicher Krisen eine Bescheidenheitskultur angemessener? Oder sind ganz im Gegenteil Stimmungswirtschaften von solchen Zeichen äußeren Wohlstands abhängig, um wieder Vertrauen zu schöpfen? Wir wissen es nicht. Kultur braucht äußere Zeichen, zumindest für Menschen mit fragiler Rezeptivität. Jenseits der Dax-Unternehmen, die gegenwärtig eine priore Rolle in der Gestaltung des Abendlands spielen, wird der Kulturkampf bei den Abos und an der Abendkasse entschieden. Ohnehin zielt Kulturpolitik bei diesem „Jahrhundertprojekt“ darauf, gesellschaftliche Räume zu entwerfen, die beanspruchen, eine konsensuelle Rezeption zu fördern. Vor Jahren hieß das mal „Treffpunkt Kino“, was indes schon deshalb nicht funktionierte, weil man sich nicht verbünden kann, um einen Film gemeinsam zu sehen und zu verstehen. Wer heute eine Pause nutzt, um das Konzertpublikum zu beobachten, wird keine übertriebenen Vorstellungen vom Rezeptionsniveau der Opern- und Konzertbesucher entwickeln. Muss auch nicht sein, Kultur funktioniert auch jenseits des Pathos. Adornos struktureller Hörer, der alles weiß und dabei auch noch Genuss empfindet, ist eher ein theoretisch-moralisches Konstrukt als ein kommunales „Desiderat“. "Runterschalten" scheint in einer Aufmerksamkeitskultur kein Thema con variazone mehr zu sein. Eine knallharte Kostenkalkulation scheint mir eine Frage wahrer Kultur zu sein.
Goedart Palm
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