Die Diskussionen um das neue Bonner Festspielhaus sind vielleicht nicht weniger denkmalwürdig als die alten und neuen Sehnsuchtsobjekte. Großdiskussionen dieser Art sind wundervolle Gelegenheiten, den eigenen Standpunkt zu nobilitieren, so wenig es ein Standpunkt und schon gar nicht ein eigener sein muss. Sag mir, wie du zu dem Bonner Festspielhaus stehst und ich sag´ dir, wer du bist. Nun könnte man dieses Festspielhaus bauen oder nicht, Musik hören oder es lassen, aber das wäre nicht einmal der halbe Spaß. Das längst nicht errichtete Festspielhaus Beethoven ist ein selbstreferentieller Diskurs, in dem es eher peripher - was für Repräsentationsarchitektur ja eher eine seltsame Position ist - auch um Architektur, Akustik und vielleicht diesen oder jenen Kulturbegriff geht. Das „Jahrhundertprojekt“ ist die Diskussion selbst. Gegenwärtig geht es um die aporetische Fundamentalfrage des Denkmalschutzes, die auf ewig unentschieden lässt, ob Baron Haussmann nun ein Demoliteur oder ein Wohltäter der Menschheit war. Die „Beethovenhalle“ von Siegfried Wolske darf nicht sterben. Nun erkennen wir oder lassen uns das sagen, dass es sich um ein historisch aufgeladenes Gebäude handelt, in dem sich honorige, unvergessliche Großtaten der jungen Bundesrepublik ereignet haben. Der FAZ-Laudator Michael Gassmann ergeht sich in diesem Lob der alten Halle, in deren Mauern „ein halbes Jahrhundert städtischer Musikkultur“ stecke, was dann historisch erschauern lassen mag, aber längst kein Ausweis gegenwärtiger Bedeutung ist. Und jetzt mal ehrlich: Kein Bonner sieht dieses angenehm konturlose Nachkriegsobjekt mit seiner sanften Sahnekloß-Ästhetik noch als emphatische Bereicherung des Rheinpanoramas. Ist das dem schnöden Alltags-Blick geschuldet? „Die Beethovenhalle prägt die Rheinsilhouette der Stadt und fügt sich zugleich in sie ein. Die sanft schwingende Kuppel ist markant, ohne aufdringlich zu sein. Weit öffnen sich die rheinseits gelegenen Räume zum Fluss. Ihre wasserblaue Kachelung ist ein munterer Gruß an den Strom.“ (Gassmann) Der Strom freilich, der schnöde, grüßt eher nicht zurück, weil er sich nicht für Farbigkeit, sondern dumpfes Grau entschieden hat. Gassmann schöpft hier wenigstens im Text die Architektur nach, das klingt poetisch und man reibt sich die Augen. So - wenigstens semantisch - schön ist also die Bonner Ansicht, alle Witze über unbewegliche Bahnschranken, rheinische Dösigkeit und schlechtes Wetter Kolportage und wir, wir Ignoranten, haben es nicht gesehen. Nun gibt es Eisdielen aus diesen Tagen, die ästhetisch keinen anderen Regeln folgen als Wolskes Architektur. Auch die waren schön, ohne dass wir sie dauerhaft hätten konservieren wollen. Das Eis schmeckte gut, aber das gibt noch keinen fetten Grund, hier dauerhaft zu verweilen. Diese und andere Nachkriegsarchitektur löste sich von ihren grausigen Vorgängern pathetischer Aufdringlichkeit, ohne ihre relative Formarmut je völlig verhehlen zu können. Dieser Formenschatz wandert in die Museen und Kataloge und das ist gut so. Für Gassmann wäre es indes ein barbarischer Akt, die Beethovenhalle dem Festspielhaus Beethoven zu opfern. In jeder Kultur steckt Barbarei. Anders kann sie sich nicht konstituieren. Diese älteste Dialektik des Denkmalschutzes, dieser Kampf zwischen Erhaltenswürdigem und der „Demolition“ ist nicht dadurch auflösbar, dass der Kritiker großzügig das Label „Barbarei“ verhängt. Denn diese Markierung ist nicht nur im vorbezeichneten Sinne kategorisch schwach, sondern könnte, man erinnere sich für eine aufklärerische Sekunde an Adornos Wortgebrauch, für wirklich schändliche Taten reserviert werden. Wenn unsere, damaligen Maßstäben folgend, gelungene „Eisdiele“ verschwindet, ist das kein Freudenakt, aber wir werden es verschmerzen. Das Lebensgefühl dieser Tage, das Siegfried Wolske Architektur werden ließ, ist nicht so unvergänglich, dass wir nun weinen müssten. Das alte Paris bot bestimmt größere Schätze. Ist es nicht von eigener ästhetischer Erhabenheit, gerade in Zeiten des Speicherwahns, Dinge vergehen zu sehen und nur noch ihre Spuren zu konservieren? Erinnerungen, die aus solchen Relikten entstehen, sind die besten. Erst jetzt, im Moment des Falls, glaubt man eine Schönheit beschwören zu müssen, die längst dahin ist, wenn sie denn je existiert haben sollte. Farewell.
Goedart Palm
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