6/26/2012

One plus One

In den sechziger Jahren war Jean-Luc Godard der cineastische Großmeister schlechthin. Die Mischung von One plus One war brisant: Black Panther, The Rolling Stones, Jean-Luc Godard, London 1968. Eine Montage aus Proben der Stones, Spielszenen, running stills. Heute nicht mehr shocking, die Black Panther sind revolutionäre Schwätzer, die mit dem üblichen dogmatischen Duktus auftreten. Im Interview wissen sie alles, die Praxis lässt zu wünschen übrig. Die Stones sind nicht schlecht, aber weit entfernt davon, genialisch zu erscheinen. Mick Jagger ein Sexsymbol? Das setzt Fantasie voraus. Auch "Sympathy for the Devil" hat seine diabolischen Grenzen. 



Running stills: Der Porno- und Pulp Fiction-Verkäufer verkauft seine Schmuddellektüre für den Führer-Gruß. "Cinemarx" und "Sovietcong" sind zwei Wörter, die deshalb noch lange keinen Sinn machen. Godard montiert und montiert, bis die Erkenntnis dämmern soll, dass Politik und Pulp keine diskreten Größen sind. Das Wort "Ausbeutung" sagt nicht viel über die Verhältnisse und Godard filmt keinen Essay, sondern eine Collage. Die analytischen Sätze sind einige Fetzen von Fremdtexten, etwa jene Beschwörung des schwarzen Mannes über die Kolonisierung seines Geistes durch die weiße Frau ("I believe that all these problems - particularly the problem between the white woman and the black man must be brought out into the open, dealt with and resolved. I know the black man’s sick attitude toward the white woman is a revolutionary sickness. . . The price of hating other human beings is loving oneself less."). Eldridge Cleaver ("But we were also Marxist in our orientation, which is like totally economics. Do you see what I'm saying. So we understood the relationship to our freedom and our access to our economic remuneration and not just a little job because that is whimsical. The man on top can change that any time he wants to." ) ist zugleich KING KONG. Welche Naivität, der Mythos des Mannes an der Spitze, der alles ändern kann, der liebe Gott? Der gleiche Programmatiker verkündet: "All the gods are dead except the god of war." Godard ist auf derselben Höhe der Krieg-Kultur-Logik: "..to make the film simply as possible, almost like an amateur film. What I want above all is to destroy the idea of culture. Culture is an alibi of imperialism. There is a Ministry of War. There is a Ministry of Culture. Therefore, culture is war." Zwar lange vor Huntington gesagt, aber höchst kurzschlüssig, denn längst war Godard zu diesem Zeitpunkt selbst ein hoch akzeptierter Exponent eben dieser Kultur, von der man bestenfalls/schlechtestenfalls sagen konnte, dass sie alles absorbiert, weil der unfreiwillige Mix schon vor der Postmoderne zum Medienstandard wurde. 
 
Doch diese Kritik ist vordergründig. Der Film hält ein Versagen fest, das zu riskieren mehr wert war als ein Großteil der Filmproduktionen jener Jahre auch nur ahnte. Godard wollte, wie auch in diversen anderen Filmen, das Medium in seiner Analyse politischer wie kultureller Verhältnisse selbst sprechen lassen. Das Medium ist die Botschaft der Botschaft. Die Bilder existieren nur noch in Überlagerungen, sie dekonstruieren sich, wenn sie aufeinanderprallen. Die Organisation des Films selbst wird zum Thema, ohne den unverbindlichen Weg reiner Experimente zu gehen. Fundamental: Was kann ein Film aussagen? Der Film begründet keine neue Wirklichkeit, sondern kommentiert sie, ohne sich noch länger auf seine Mittel verlassen zu können. Daraus entsteht Chaos, ein Chaos, das eben nicht dem der vorgängigen Wirklichkeit so fremd ist. Damit folgen auch diese Demontagen der Ordnung mindestens untergründig einer Korrespondenz von Wirklichkeit und Film. Wie oft die Wahrheit in der Sekunde aufleuchtet, ist freilich nicht zu parametrisieren. 
 
Goedart Palm

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