6/25/2012

Von der Jakobsleiter zum Düsenjet (Anselm Kiefer)


Zu der Ausstellung: Am Anfang - Anselm Kiefer. Werke aus dem Privatbesitz Hans Grothe
20. Juni bis 16. September 2012

Anselm Kiefers Malerei ist mächtig, groß, brutistisch, erdig, rostig... Sollen wir sie loben? Ein Problem dieser Malerei ist die allpräsente Symbolik. Als ob wir es nicht gewusst hätten, wird noch semantisch markiert, was vielleicht eine Interpretation ermittelt hätte. Kiefer hilft hier dem Betrachter immer nach. Symbole gehören per se zum Instrumentarium der malerischen Sinnvermittlung: Eine Blume, die Liebe oder Glauben symbolisiert, eine Waage, die allegorisch die Gerechtigkeit signiert. Das ist ein Standardverfahren, das nicht zwingend dadurch desavouiert wird, dass Symbole subjektivistisch interpretiert, modifiziert oder gar konterkariert werden. Warum aber beschleicht mich der Eindruck, dass diese Malerei ihre Symbole aufdrängt? Warum entsteht der Eindruck, dass diese Symbole aus Schwermetall sind, sich dann aber bei näherem Zusehen in Beliebigkeiten verwandeln? Sicher führen mythengeladene Symbole zu mehr oder weniger wilden Assoziationen. Irgendwie und irgendwo quillt hier dickflüssig Geschichte in ihren zahllosen Bezügen hoch. Wenn alles wichtig wird, ist das Risiko hoch, dass nichts wichtig ist. Hier erleben wir ein altes Dilemma der Kunst. Das Kiefersche Bilderleben zwischen Katastrophe, Untergang und Neubeginn macht einen so zufälligen wie kalkulierten Eindruck zugleich, ohne dass bereits für die Verifikation des künstlerischen Genies halten zu wollen. Hier entstehen permanent projektive Räume, in denen man von Symbolen erschlagen wird, die selbst so massiv gestaltet sind, als müsse man ihrer schwindenden Verbindlichkeit mit den massig-massiven Formen widersprechen. Hinter dem Teutonisch-Titanischischen versteckt sich das preußisch Bürokratische. Kennen wir die Besucher irgendwelcher Ausstellungen mit ihrem "Ach, wie schön" geht es hier (scheinbar) in die andere Richtung: "Ach, wie schrecklich, wie erhaben, wie..." Ja, wie eigentlich? Es ist ein gemalter Jargon der Eigentlichkeit. Es ist so - im mehrfachen Wortsinn - schrecklich authentisch, dass man es nicht glauben mag. Einfach gesprochen: Wir erleben den Höhenflug einer Prätentionsmalerei, die sich so wichtig und unmittelbar nimmt, dass wir ihre offiziellen Akzeptanzen gut verstehen können.   

Goedart Palm

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